Ludwigshafen Der Soundtrack seines Lebens

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Ohne den ihm sonst anhaftenden Glamour und der ordentlichen Prise Rock ist David Garrett im Mannheimer Rosengarten aufgetreten. Nur er und Pianist Julien Quentin standen bei seiner Recital-Tour auf der großen Bühne. Kein großes Orchester und ausgefallene Crossover-Arrangements bekamen die Besucher zu hören, sondern klassische Werke, mit denen der langhaarige Geiger ganz besondere Erinnerungen verbindet.

Es ist der „Soundtrack meines Lebens“, verkündet Garrett daher auch zu Beginn des Konzerts. Mit jedem der 13 ausgewählten Werke verbinde er etwas, sagt er. In seine Liste haben es unter anderem Stücke von Fritz Kreisler, Peter Tschaikowsky und Edward Elgar geschafft. Die Idee zu diesem „persönlichen Programm“ sei ihm bei der Arbeit an seiner Biografie gekommen. „Ich bin immerhin schon 35“, sagt Garrett mit einem verschmitzen Lächeln im Gesicht und einer geschickt platzierten dramatischen Pause vor der Bekanntgabe der Zahl, die die erwünschte Reaktion beim Publikum erzeugt: Ein lautes „Oh“ und „Mitleids“-Applaus hallen durch den Saal. Grund auf das, was er bis jetzt erreicht hat, zurückzublicken, hat Garrett sicherlich – immerhin feiert er in diesem Jahr sein 25. Bühnenjubiläum. Welche Stücke er ausgesucht hat, das verrät ein Blick ins Programmheft, das zahlreiche Gäste vor der Show erstanden haben. Welchen Weggefährten er diese allerdings gewidmet hat, das verrät er erst selbst auf der Bühne. Dafür überbrückt der Lesestoff die Zeit bis zum Start, denn dieser verzögert sich um fast eine Viertelstunde. Doch auch dann sind noch nicht alle Reihen im Saal besetzt. Dies nutzen einige Zuschauer, um sich spätestens nach der Pause etwas „upzugraden“, also ein paar Reihen weiter nach vorne zu setzen. Manche wollen einfach nur näher dran sein am Geschehen, andere haben für den Platztausch ganz andere Gründe: „Die Klimaanlage ist zu laut und viel zu kalt. Ich merke jetzt schon, wie die Halsschmerzen anfangen“, sagt eine Zuschauerin halb entschuldigend zu ihrer neuen Sitznachbarin, die etwas überrascht schaut. Überaus interessiert lauschen die Zuschauer nicht nur Garretts Geigenspiel, das von seinem Kumpel Julien Quentin am Piano wunderbar begleitet wird, sondern auch seinen Berichten. Denn nach jedem Stück plaudert der Star des Abends aus seinem Leben. So erfahren die Besucher, dass er entschied Musiker zu werden, als er den ukrainischen Geiger Isaac Stern César Francks Sonate für Violine und Klavier A-Dur spielen sah. Oder dass sein Bruder Alex ihn nicht „immer ganz freiwillig“ bei den Hauskonzerten zu Peter Tschaikowskys „Mélodie Es-Dur, op 43 Nr. 3 am Klavier begleitet hat. Eine solide Technik habe er dem ständigen Üben von Henryk Wieniawskis Légende g-Moll, op. 17 zu verdanken, denn „ohne Technik geht es nun einmal nicht“. Bei dessen Polonaise D-Dur, op. 4 rät er dem kleinen Zuschauer Jacob, der selbst Geige spielt: „Das ist schwer, lass dir damit noch Zeit.“ Der Siebenjährige, der fasziniert Garretts Spiel beobachtet, hat sich schick gemacht, trägt eine Fliege zu seiner Anzugsweste. Auch andere Gäste haben sich in Schale geworfen, wieder andere bevorzugen eher den legeren Freizeitlook – bei Garrett ist eben alles erlaubt. Immerhin hat er auf eine löchrige Jeans verzichtet und trägt stattdessen ein lässiges T-Shirt zur schwarzer Hose und schwarzem Jackett. Beim schnellen Hummelflug von Nikolaj Rimskij-Korsakow flippen die Besucher regelrecht aus – Standing Ovations gibt es allerdings erst zum Schluss. Vor der Zugabe kommen einige Damen direkt vor die Bühne. Als Garrett mitbekommt, wie eine junge Frau sich abmüht, um ein Selfie mit ihn im Hintergrund zu machen, kniet er sich kurzerhand an den Bühnenrand und die Frau reckt freudestrahlend als Zeichen des Erfolgs die Faust in die Höhe. Selbst als Garrett schon längst die Bühne verlassen hat, fordern einige Enthusiasten mit lautem Klatschen und Rufen (vergeblich) seine Rückkehr. Und da ist er dann wieder, der Hauch des Rockstarflairs, der Garrett anhaftet. Auch der siebenjährige Jacob steht gespannt vor der Bühne. Vielleicht wird er eines Tages, sollte er selbst mal ein erfolgreicher Geiger sein, bei einem Konzert sagen, dass ein Konzert von David Garrett in ihm den Wunsch geweckt hat, Musiker zu werden.

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