Ludwigshafen Der nächste Neuanfang

Das Telefon klingelt. Joachim Thiem nimmt ab. Der Anrufer will wissen, ob ein Mobiltelefon in der Nähe des Sandkastens auf dem Blies-Gelände gefunden worden ist. Seine Frau, sagt der Mann, habe es am Vortag dort verloren. Thiem notiert Name und Telefonnummer und verspricht nachzusehen. Das wird sofort erledigt. Doch es findet sich kein Handy auf der Wiese. Thiem ruft das vermisste Gerät an. Doch nirgendwo im Gras klingelt es. Der Vorsitzende des Blies-Fördervereins hat kurz vor der Saisoneröffnung viel zu tun.

Wegen des Einbaus der neuen Sicherheitstüren – „Hier wurde ja eingebrochen“ – war er heute schon um halb sieben, eine Stunde früher als sonst, auf dem Areal. Dennoch wirkt er ruhig, nimmt sich Zeit zum Erzählen. Sagt, dass er 1944 in Oberschlesien geboren wurde, seit 1949 in der Pfalz lebe, nach der Bundeswehr 1967 zur BASF gekommen und dort 42 Jahre lang Logistik-Kaufmann im Bereich Ostblock gewesen sei. Wieder klingelt das Telefon. Die Sparkasse Vorderpfalz ist dran. Thiem zieht in seinem Notizheft einen Querstrich unter die Nummer des „Sandkastentelefons“ und schreibt mit. Danach sagt er, dass die Sparkasse der wichtigste Sponsor sei und zuletzt die neue Boulebahn finanziert habe. Und wenn am Sonntag die Badesaison eröffnet wird, werde ein Vertreter des Instituts dabei sein, dem man öffentlich danke. Die Saisoneröffnung: Übermorgen soll der große Tag sein, und wie seit Jahren hofft der Förderverein auf gutes Wetter. Thiem, der „Jochen“, wie ihn alle nennen, hofft noch mehr auf gutes Wetter, wenn am zweiten Juli-Wochenende das 20-jährige Bestehen des Fördervereins gefeiert wird. Klaus Größle kommt vorbei. Der „Wiesenwirt“ der Blies ist auch Beisitzer im Vorstand des Vereins und Mitglied im Festkomitee, das die Jubiläumsfeier ausrichtet. Er nennt einige Fakten im Telegrammstil, weil er „zu tun“ hat. Die Jubiläumsfeier beginnt am Samstag, 11. Juli, um 19 Uhr mit Musik der Partyband „Midnights“. Auf dem Programm: Stücke aus den 60er- bis 80er-Jahren. Der Biergarten werde ausgeweitet: mit Tischen und Bänken, Bierwagen und Grillständen zwischen Gewässer und Gebäudezeile. Und mit Festbühne am Ufer. Ab 9 Uhr ist Einlass und – „schreiben Sie das bitte groß dazu“ – es wird kein Eintritt erhoben. Auch nicht am zweiten Festtag, wenn die fast 40 Gründungsmitglieder feierlich gewürdigt würden. Termin: 11 Uhr. Joachim Thiem hat seinen Strohhut aufgesetzt, lässt die vergangenen 20 Jahre Revue passieren. Er spricht vom Verdienst Manfred Reimanns, von dem er den Vorsitz des Vereins 2004 übernommen hatte – aber nur bis zum Ende der Saison. Es habe gesundheitliche Probleme gegeben, sagt er, aber auch die Zusammenarbeit mit Reimann, der immer noch mitgemischt habe, sei schwierig gewesen. Zu seinen Ehrenämtern sei er zufällig gekommen, erzählt der 70-Jährige. Als 2003 der Vorruhestand begonnen habe, „ging es darum, etwas Sinnvolles“ zu tun. „Mit der Frau am Fenster hocken und ihr vorschlagen, du zählst die roten Autos und ich die gelben – und morgen machen wir’s umgekehrt“, das sei keine Option gewesen. Blies-Besuche habe es seit Mitte der 90er gegeben. Dabei habe er Reimann kennengelernt, „und so kam eins zum anderen, bald hab ich mitgeholfen“, irgendwann sei er einer von fünf Beisitzern gewesen. Traudel Thiem sieht nach ihrem Mann, setzt sich kurz dazu. Ihr Mann versucht gerade, die Frage nach der „schönsten Zeit“ an der Blies zu beantworten. Das sei 2006 bis 2008 gewesen, sagen beide. Es habe sehr viele „arbeitende Mitglieder“ und für die Gastronomie noch kein richtiges Gebäude gegeben. Die Frauen, „auch die Traudel“, hätten damals im Container gekocht, gebraten und Leberwurstbrote geschmiert. Viele andere Ehefrauen hätten sich damals engagiert, sagt Traudel Thiem. Man sei eine verschworene Gemeinschaft gewesen. Ein Mann in blauer Arbeitsmontur taucht auf. Er habe vorhin wegen des Handys seiner Frau angerufen. Ob es zufällig gefunden worden sei? Thiem bedauert. Er wolle den Finder belohnen, sagt der Mann im Gehen. Zwei Minuten später taucht er freudestrahlend auf, zeigt ein Handy. Eben habe er es „hier auf dem Parkplatz“ gefunden, sagt er. Joachim Thiem ist – wieder einmal – Vorsitzender. Seit dem 16. März. Mit ihm wagt der Förderverein – wieder einmal – einen Neuanfang. Dazu gehört, dass die Kontakte mit den benachbarten Stadtteilen, vor allem mit Mundenheim, auf dessen Gemarkung die vor 120 Jahren entstandene Blies liegt, verbessert werden. Eben fertig geworden ist die erwähnte Boulebahn. Bei unserem Besuch vor drei Tagen hat Markus Thiem, Sohn des Vorsitzenden und neuer Pächter auf dem Gelände, noch an seiner Eishütte gebaut – es gibt keinen Kleinbus mehr mit Eisverkauf. Vor die Eishütte kommen Sitzgelegenheiten für Kinder, es werden auch Shakes angeboten. Dem Kot der Wildgänse wird regelmäßig ein „Knottelmann“ zu Leibe rücken. Das Schachfeld, das Freiwillige aus dem BASF-Steamcrackerteam um Thiems Stellvertreter Hans-Jürgen Beringer angelegt hatten, ist inzwischen gereinigt. Nun werden noch die 80 Tonnen Rheinsand am Ufer ausgebracht – dann kann’s losgehen. „Bei Hochbetrieb“, sagt Joachim Thiem, „werden wir das Absperrgitter, das wegen der Gänse errichtet wurde, wegmachen“. Auch das klingt irgendwie nach Neuanfang. Termin Saisoneröffnung: Sonntag ab 10 Uhr.

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