Ludwigshafen Der Klang der Stille

Georg Magirius und Miroslava Stareychinska bieten in der Melanchthonkirche einen Platz für Stille inmitten der Stadt Ludwigshafe
Georg Magirius und Miroslava Stareychinska bieten in der Melanchthonkirche einen Platz für Stille inmitten der Stadt Ludwigshafen.

«MITTE.» Stille muss nicht unbedingt Geräuschlosigkeit heißen. Dies zeigten die Konzert-Harfinistin Miroslava Stareychinska und der Theologe und Autor Georg Magirius am Sonntagabend in die Melanchthonkirche. Die Evangelische Kulturkirche am Lutherplatz hatte zur Konzertlesung „Klang der Stille“ eingeladen. Die rund 30 Besucher entflohen auf diese Weise für kurze Zeit dem lauten, aufdringlichen und hier und da auch ganz schön schrillen Erscheinungsbild der Ludwigshafener Innenstadt. In der Ludwig-, Wrede- und Kaiser-Wilhelm-Straße haschen PS-bewährte Poser lautstark nach Aufmerksamkeit. Im gegenüberliegenden Pfalzbau fiebert die politische Szene der Stadt den Wahlergebnissen entgegen. Die Besucher der Konzertlesung dürfen das aber alles hinter sich lassen und dem Klang der Stille lauschen. In dem von dunklem Backsteinmauerwerk und Holz geprägten Ambiente des Gotteshauses tauchen sie in eine Atmosphäre der Besinnlichkeit und Ruhe ein. Ansprechende großformatige Fotografien mit Naturmotiven und Perspektiven aus Ludwighafens Stadtgebiet zieren die Wände rechts und links der Kirchenbänke. „Klang der Stille“ – was als scheinbarer Widerspruch daherkommt, ist für den Theologen Georg Magirius leicht auflösbar. Er selbst lebt im unruhigen Frankfurt und findet beim Spaziergang im Wald mit dem Rascheln der Blätter, wenn ein leichter Wind durch die Baumkronen streicht, ebenso Ruhe wie beim dezent erklingenden Auflaufen sanfter Wellen am Strand. Nun lädt er zu einer musikalisch-literatischen Reise zur Stille, zum inneren Frieden ein. Und das kommt beim Publikum an: „ Ich konnte runterkommen“, verrät Ingrid Hess aus der südlichen Innenstadt nach dem Konzert. „Musik und Lesung haben mich bewegt und besinnlich gestimmt.“ Unterstützt wurde Magirius von den zauberhaften Harfenklängen der bulgarischen Musikerin Miroslava Stareychinska. Die in Polvdiv (Bulgarien) geborene Künstlerin absolvierte die Chicago High School mit spezieller Auszeichnung für musikalische Begabung, studierte Harfe an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt. Dabei war sie seit ihrem 21. Lebensjahr als Solo- und Gast-Harfinistin in zahlreichen bulgarischen Orchestern engagiert, spielte mit den Berliner Philharmonikern, im WDR-Rundfunkorchester, dem SWR-Sinfonieorchester und mit der HR-Bigband als Jazzmusikerin. Ihr filigranes, einfühlsames Spiel ist genreübergreifend und vertieft die Quintessenz der geistreichen literarischen Miniaturen des Theologen Georg Magirius. Vorklassische Klänge aus der Feder von Christian Philipp Emanuel Bach, eigene Kompositionen und Improvisationen von romantischem bis hin zu lateinamerikanischem Kolorit beflügeln Assoziation und Meditation. Magirius arbeitet seit dem Jahr 2000 freiberuflich als Autor für den Schweizer sowie den Deutschen Rundfunk. Seine tiefschürfenden Gedankenspiele sind bei den Verlagen Herder, Aufbau und edition chrismon erschienen. Gekonnt setzt sich Magirius mit dem Zeitgeist, dessen Scheinwahrheiten und Forderungen nach unablässigen Vorwärts- und Aufwärtsdrängen auseinander. Man müsse heute oft darum kämpfen, sich überhaupt Gehör zu verschaffen. Dazu erzählt er neben alltäglichen Erlebnissen auch Ausflüge zu Grenzerfahrungen. So das Erleben von Stille beim Erklimmen eines alpinen Gipfels oder Begebenheiten im Leben Jesu, dessen Umwelt durchaus mit der unsrigen verglichen werden kann. Auch ihm sitzen die hohen Priester der Effizienz und Politikberatung im Nacken, wollen ihn von Termin zu Termin jagen und sein ganzes Tun auf optimale Außenwirkung stylen. Doch Jesus widersteht diesen Einflüsterungen und lässt sich den Liebesbeweis einer Verehrerin nicht miesmachen. Ein von Pfarrerin Susanne Schramm gesprochenes Abendgebet setzt den spirituellen Schlusspunkt. Ein Abend der inneren Einkehr und Besinnlichkeit geht zu Ende.

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