Ludwigshafen „Dürfen Ludwigshafen nicht kaputtsparen“

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Heute bringt Kämmerer Dieter Feid (SPD) den Doppelhaushalt 2015/16 in den Stadtrat ein. Die Verschuldung der Stadt wird in den kommenden Jahren auf rund 1,3 Milliarden Euro steigen. Wir haben mit dem 48-Jährigen vorab über die Finanzlage von Ludwigshafen und Auswege aus der Schuldenfalle gesprochen.

Herr Feid, heute bringen Sie den neuen Doppelhaushalt in den Stadtrat ein. Wie schlimm sind die Zahlen diesmal?

Der negative Trend setzt sich fort. Die Zahlen sind insgesamt betrachtet überhaupt nicht gut und können uns nicht zufrieden machen. Wir werden in beiden Haushaltsjahren erhebliche Zuwächse bei der Neuverschuldung haben und bis Ende 2016 einen Gesamtschuldenstand von rund 1,3 Milliarden Euro. Die Ursachen dafür liegen aber überwiegend nicht in Ludwigshafen. Was sind die dicksten Brocken? Ist das bei den Ausgaben immer noch der Bereich Soziales? Ja, das ist der mit Abstand größte Posten. Dieser Brocken wird immer dicker. Die Aufwendungen für Soziale Sicherungen steigen deutlich stärker als die Ausgaben insgesamt. Und auch deutlich stärker als unsere Einnahmen. Die Folge: Das Defizit in diesem Bereich wird für die Stadt immer größer. Noch nicht einmal die Hälfte unserer Ausgaben wird durch die Einnahmen gedeckt. Das Grundproblem ist doch seit Jahren gleich: Die Stadt gibt mehr Geld aus, als sie zur Verfügung hat. Die vom Land und Bund übertragenen Aufgaben auf die Stadt sind nicht ausreichend gegenfinanziert. Der Schuldenberg wächst weiter. Dieser Teufelskreis wird nicht mehr unterbrochen. Sind die Haushaltsdebatten im Stadtrat nur noch ein Ritual? Nein. Es ist richtig, wir geben seit Jahren mehr Geld aus, als wir einnehmen. Wir müssen das tun, weil wir fast ausschließlich Pflichtausgaben erledigen. Wir können ja zum Beispiel nicht einfach keine Sozialleistungen mehr an Bedürftige zahlen. Aber Sozialgesetze werden vom Bund gemacht. Rund 93 Prozent unserer Ausgaben sind Pflichtausgaben, nur sieben Prozent sind freiwillige Leistungen. Der Spielraum ist gering. Wir sparen, wo wir können. Aber es liegt auch in unserer Verantwortung zu investieren, wo es für die Zukunftsfähigkeit der Stadt unerlässlich ist – etwa in Kitas, Schulen, in unsere gesamte Infrastruktur. Wir dürfen den Bestand nicht verkommen lassen. Deswegen setzen wir im Haushalt entsprechende Schwerpunkte.  Auf unabsehbare Zeit lebt die Stadt also weiter auf Pump. Steuern wir auf griechische Verhältnisse zu? Die Entwicklung der städtischen Verschuldung ist besorgniserregend, aber auf griechische Verhältnisse steuern wir noch lange nicht zu. Ludwigshafen ist nach wie vor eine wirtschafts- und einkommensstarke Stadt. Nur: Es kann nicht sein, dass in einer Stadt wie Ludwigshafen, in der zehn Prozent der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsleistung erwirtschaftet werden, in der gute Löhne gezahlt werden, zu wenig Geld in der Stadtkasse bleibt. Weil die Einkommenssteuer am Wohnort gezahlt wird? Das ist ein Punkt, der zeigt, dass wir uns in Deutschland bei Finanzausgleichsystemen zwischen Bund, Ländern und Kommunen viel zu lange auf die Einnahmeseite konzentriert und dabei zu wenig auf die Ausgabenseite gesehen haben. Kommunen wie Ludwigshafen sind durch ihre Sozial- und Bevölkerungsstruktur dadurch in eine Schieflage geraten. Das führt dazu, dass wir aus eigener Kraft aus dieser Lage kaum herauskommen. Das zeigt ja das gewaltige Defizit im Jugend- und Sozialbereich.  Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat ja erstmals einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorgelegt. Was geht Ihnen dabei als Ludwigshafener Kämmerer durch den Kopf – konsolidiert sich der Bund auf dem Rücken der Kommunen? Zunächst einmal Respekt, wenn ein Bundesfinanzminister einen ausgeglichenen Haushalt vorlegt. Das haben viele Vorgänger von Schäuble nicht geschafft. Aber ich erinnere auch daran, dass die Sozialgesetzgebung Sache des Bundes ist. Das bedeutet, dass die Kommunen am Ende die Rechnung bezahlen müssen. Glauben Sie, dass Sie als Kämmerer jemals einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können? Ich glaube, wir haben eine Chance. Eigentlich ist genügend Geld im System. Die Finanzströme müssen neu geordnet werden. Ab 2020 laufen viele Regelungen aus. Die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern können neu geregelt werden. Beispielsweise laufen die Gesetze für den Aufbau Ost aus. Das heißt, es muss eine Finanzreform geben – und dabei dürfen die Kommunen nicht vergessen werden. Das wird ein schwieriger Weg. Wenn es uns nicht gelingt, die Finanzströme neu zu lenken, dann bin ich nicht mehr optimistisch, dass sich noch etwas Grundlegendes ändern können. Ab 2018 stehen der Abriss der Hochstraße Nord und der Neubau der Stadtstraße an. Die Kostenverteilung ist noch offen. Die Verhandlungen laufen. Bei dem von Ihnen angestrebten Anteil der Stadt von 15 Prozent an den Gesamtkosten von 330 Millionen müsste die Stadt noch 50 Millionen aufbringen. Sind die Zukunftsaussichten deshalb künftig noch düsterer als heute? Wenn der Bund mindestens 60 Prozent und das Land 25 Prozent übernähmen, wäre das der Optimalfall für uns. An uns würde dann immer noch ein hoher zweistelliger Millionenbetrag hängenbleiben. Man muss bei dem Projekt aber die Zeiträume berücksichtigen. Wenn man 50 oder 60 Millionen Euro über acht bis zehn Jahre aufbringen muss, dann sind das Jahresraten von fünf bis sechs Millionen. Das ist stemmbar. Zum Vergleich: Wir investieren jedes Jahr über 50 Millionen Euro. Aber klar ist: Wir müssen auch das mit neuen Schulden finanzieren. Wenn die Kostenverteilung so liefe, wie ich das fordere, dann wäre das darstellbar. Aber das Grundproblem bleibt: Ludwigshafen ist eine wirtschaftsstarke Stadt, die zu den höchstverschuldeten Kommunen Deutschlands gehört. Deshalb muss sich grundlegend etwas ändern. Wie zu hören ist, steht in den kommenden Jahren eine Senkung der Personalkosten bei der Stadt an, zahlreiche Mitarbeiter werden pensioniert. Im Gespräch ist, dass nicht alle Stellen wiederbesetzt oder Aufgaben umorganisiert werden. Wird das substanziell etwas bringen? Wir haben in den nächsten zehn Jahren zwei größere Verrentungs- und Pensionierungswellen. Etwa 40 Prozent der Belegschaft geht in Ruhestand. Das ist ein großer Verlust an Wissen und Kompetenz, aber bietet auch die Chance, uns neu aufzustellen und unser Personal optimal einzusetzen. Wir – Mitarbeiter, Verwaltung, Personalvertretung und Politik – wollen diesen Prozess gemeinsam angehen. Die Federführung dafür liegt bei der Oberbürgermeisterin, die ich dabei unterstütze. Natürlich steht dabei auch der Personalbereich unter Spardruck. Wir wollen nicht mehr Personal einsetzen als wir müssen. Aus heutiger Sicht kann ich aber nicht sagen, ob wir am Ende weniger Geld für Personal ausgeben werden. Die Bürger spüren jetzt schon, dass Ludwigshafen kein Geld mehr hat – etwa bei den Grünflächen. Wird sich das weiter verschärfen? Dass viele Grünflächen nicht mehr ausreichend gepflegt werden, ist Folge unserer schwierigen Finanzlage. Wir haben sparen müssen. Aber wir sind an einem Punkt angekommen, wo wir diese Schraube nicht überdrehen wollen. Wenn die Stadt ungepflegt wirkt, hat das viele negative Auswirkungen. Wir sehen das. Die Menschen müssen sich weiterhin wohl und sicher in Ludwigshafen fühlen können. Wir müssen auch künftig sparen, dürfen die Stadt aber nicht kaputtsparen. Zur Person Dieter Feid (48) ist seit dreieinhalb Jahren Kämmerer. Er lebt in Friesenheim und ist Vater von zwei Töchtern.

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