Ludwigshafen Begegnung auf der Kurpfalzbrücke

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Andreas Kleinert ist Stammgast beim Filmfestival in Ludwigshafen. Viermal war der Regisseur bereits auf der Parkinsel, zuletzt 2014 mit „Monsoon Baby“, einem TV-Drama um Leihmutterschaft in Indien. In diesem Jahr ist der Berliner gleich mit zwei Filmen im Wettbewerb vertreten. Mit „Herr Lenz reist in den Frühling“ und der SWR-Produktion „Sag mir nichts“, mit der das Festival heute Abend eröffnet wird.

Zur Galavorstellung um 19 Uhr im Kinozelt 1 haben sich neben Gästen aus Politik, Kultur und Wirtschaft auch Andreas Kleinert und seine Darstellerin Sarah Hostettler angekündigt. Kleinert selbst möchte bis 21. Juni auf dem Festival bleiben, die Vorstellungen seiner Filme begleiten und auch dabei sein, wenn Ulrich Tukur, der Hauptdarsteller seines Ethno-Dramas „Herr Lenz reist in den Frühling“, am Sonntag mit dem Preis für Schauspielkunst geehrt wird. Kleinert mag dieses Festival, das er 2009 zum ersten Mal besucht hat. „Man hat das als Kinomensch total gerne, dass die Leute die Kinos stürmen, dass sie da reindrängen, dass viele Vorstellungen ausverkauft und die Reaktionen so unmittelbar sind“, zählt der 53-Jährige ein paar der Vorzüge der Veranstaltung auf. Von Direktor Michael Kötz und seinem Team und dem Publikum aus der Region fühlt er sich gastfreundlich aufgenommen. Anders als bei vielen anderen Filmfestivals seien hier die Anwesenheit des Regisseurs, der Schauspieler und anderer Teammitglieder gefragt. Während es andernorts, vereinfacht gesprochen, allein darum gehe, sich artig vor der Leinwand zu verbeugen, seien in Ludwigshafen echte Reaktionen der Zuschauer spürbar und gute Gespräche nicht nur mit Kollegen aus der Branche, sondern auch mit dem Publikum möglich. Sein Lob der Region und ihrer Bewohner gilt auch für die Dreharbeiten von „Sag mir nichts“, die im August und September vergangenen Jahres in Mannheim, Ludwigshafen und Umgebung sowie in Berlin stattfanden. Gerade weil im Rhein-Neckar-Raum längst nicht so viel gefilmt werde wie in Berlin, Köln, Hamburg oder München seien die hiesigen Motivgeber viel offener und verständnisvoller als in den genannten Großstädten. „Als Drehteam sind wir natürlich immer ein Störfaktor“, weiß der Regisseur, der bereits mehr als 30 Filme realisiert hat. Doch hier fühle man sich gut aufgehoben, sagt er und findet besonders anerkennende Worte für das Mannheimer Kaufhaus Engelhorn, in dem einige Einstellungen für „Sag mir nichts“ gedreht wurden. „Die waren so gastfreundlich, wie ich das überhaupt noch nie erlebt habe“, so Kleinert, der Regie an der Filmuniversität Babelsberg lehrt. „Dass die Leute so filmfreundlich reagieren, ist ganz anders als in Berlin, und es tut einem natürlich gut, dass man nicht überall weggejagt wird wie so ein räudiger Hund.“ Seine erotische Komödie beginnt auf der Mannheimer Kurpfalzbrücke, über die die Straßenbahn rauscht. In der voll besetzten Tram stehen Lena (Ursina Lardi) und Martin (Ronald Zehrfeld), die erste Blicke tauschen. Als sie aussteigt, folgt er ihr, zunächst in ein Hallenbad, dort ins Wasser und wieder draußen in die Nacht. Durch eine kurze Berührung seiner Hand gibt sie ihm ein Zeichen. Sie haben Sex unter freiem Himmel. Dann trennen sich ihre Wege wieder. Sie gehen beide nach Hause zu ihren Familien: Lena zu ihrem Mann (Roeland Wiesnekker) und ihrer Tochter (Lea van Acken), Martin zu seiner Frau (Sarah Hostettler) und den anstrengend anspruchsvollen Schwiegereltern. Was als spontanes sexuelles Abenteuer beginnt, entwickelt sich zur Affäre, sobald Lena und Martin sich wiedersehen. Schon bald wird ihr Seitensprung zur Projektionsfläche für neu entstandene Bedürfnisse und Sehnsüchte. Die beiden können einander nicht mehr loslassen und ringen mit der Versuchung, ihr altes, unbefriedigendes Leben gegen ein neues, möglicherweise glücklicheres zu tauschen. „Es ist eine klassische Liebesgeschichte, eine Tragikomödie und eine psychologische Charakterstudie“, meint Kleinert. „Es geht um zwei Paare und die Sehnsucht der einen, die beruflich wie privat ausbrechen wollen, und dem Wunsch der anderen, die an allem festhalten wollen. Daraus entsteht natürlich ein Konflikt. Und das Ende darf man nicht verraten.“ Es findet im Mannheimer Café Prag statt. Und draußen schneit’s.

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