Ludwigshafen Bühnenzauber ohne Schummeln

James Matthew Barries Buch ist ein Klassiker aus dem Kinderzimmer. Aus der Geschichte von Peter Pan, dem Jungen, der nie erwachsen werden will und eine abenteuerliche Reise nach Nimmerland unternimmt, hat das Mannheimer Nationaltheater jetzt ein Theaterstück für die ganze Familie gemacht. Verwendet wurde die von Erich Kästner übersetzte Bühnenfassung, Regie führten Cilli Drexel und Tom Egloff.

Wie eine Tuschezeichnung, blau auf weiß, ist der Bühnenhorizont mit einer Straßenansicht bemalt. Zu sehen sind Gründerzeithäuser mit Blumenkästen, Vogelnestern auf dem Dach und Mülltonnen vor der Haustür. Im Zentrum die Nummer 14, das Haus der Familie Darling. Die Bühne von Maren Greinke birgt wie ein Suchbild viele Details und bleibt doch immer offenkundig Illusion. Die gemalte Haustüre spuckt erst Mrs. Darling, dann Mr. Darling und dann in der Reihenfolge ihrer Geburt die drei Geschwister Wendy, John und Michael auf die Bühne. Keine ganz gewöhnliche Familie. Denn Mr. Darling rechnet viel, zum Beispiel, ob er sich drei Kinder überhaupt leisten kann, und spart am Kindermädchen. Die Stelle wird mit Nana, einer zugelaufenen Straßenhündin besetzt. Uwe Topmann spielt die Hundedame bestechend und es ist fantastisch zu sehen, wie er seine Rolle zwischen Kuscheltier, Wachhund und Leitwolf, der ohne Wiederrede das Zähneputzen befiehlt, ansiedelt. Nach dem Zähneputzen bringt Mrs. Darling ihre drei Kinder liebevoll zu Bett. Und dann passiert das, worauf im Saal alle schon gewartet haben: Durchs Fenster kommen Peter Pan und seine launische Elfe Tinker Bell ins Kinderzimmer und das Abenteuer beginnt. Die drei erstaunten Geschwister lernen im Handumdrehen Fliegen und brechen auf, noch in Schlafanzug und Nachthemd, nach Nimmerland zu den verlorenen Jungs. Hier treffen sie Peter Pans Rivalen, den erschreckenden Käpt’n Hook. Klaus Rodewald spielt ihn hinreißend furchteinflößend und in seiner schlotternden Angst vor dem tickenden Krokodil, das ihn verfolgt, seit es seine Hand gefressen hat, auch absurd komisch. Das Ensemble aus vier Musikern und sieben Schauspielern stellt sowohl die Märchenwelt in Nimmerland als auch die Alltagswelt der Familie Darling dar. Da werden die Musiker auch dann, wenn gerade keine Lieder gesungen werden, in die Handlung einbezogen. Mal spielen sie Peter Pans verlorene Jungen und schießen die fliegende Wendy mit ihren Instrumenten vom Himmel oder sie stehen als Indianer Wache. Auch die Doppelbesetzungen der Schauspieler machen Spaß: Der knauserige Vater verwandelt sich da in den gemeinen Käpt’n Hook, die fürsorgliche Hündin Nana wird zu seinem Bootsmann Smee. Klaus Rodewald und Uwe Topmann erledigen diese Wechsel großartig, das restliche Ensemble bleibt insgesamt etwas blass. In der Inszenierung von Cilli Drexel (Regie) und Tim Egloff (Co-Regie) wird viel gezaubert und doch nie geschummelt. Verwandlungen geschehen offen und werden dadurch nicht weniger geheimnisvoll. Man sieht die Fluggeschirre aus dem Himmel baumeln, und lässt sich trotzdem von den Flugversuchen der Schauspieler mitreißen. Und die Vorstellung ist, auch wenn sie die Spannung aufbaut, die jede Abenteuergeschichte braucht, immer mit einem Schuss komischer Übertreibung gewürzt. Insgesamt sind die Figuren allerdings eher im Stil eines Comics gestaltet, auf psychologische Tiefe wird verzichtet. Entstanden ist dennoch ein spannendes Theatererlebnis für die ganze Familie bei dem gelegentlich die Größeren die Kleinsten auf den Schoß nehmen müssen, wenn die Piraten doch zu gruselig daherkommen.

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