Ludwigshafen Böse Lehrer und liebe Piraten

Schultheater verfolgt neben dem Spaß am Spiel immer auch pädagogische Ziele. Bei zwei Aufführungen der Ludwigshafener Schultheaterwoche waren diese erzieherischen Absichten nicht zu übersehen. Die Theatergruppe des Theodor-Heuss-Gymnasiums hat sich in einem selbst entwickelten Stück mit dem Thema der Gleichheit aller Menschen beschäftigt, die Gruppe des Ernst-Kern-Hauses in Oppau mit dem Thema Gemeinschaft.

„Wir sind alle gleich!“ behauptet das Stück des Heuss-Gymnasiums in seinem Titel. Ebenso wahr wäre sicherlich auch die gegenteilige Behauptung. Aber weil sich die 17 Schülerinnen und Schüler der zwölften Klasse im Grundkurs „Darstellendes Spiel“ dem Thema aus Sicht der Diskriminierung genähert haben, fordern sie dazu auf, über Ungleichheiten und Unterschiede hinwegzusehen. Das Thema lag nahe, weil das Theodor-Heuss-Gymnasium in das europäische Programm „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ aufgenommen wurde. Unter der Leitung ihrer Lehrerin Judith Gabriel haben die Schüler daher das Thema Diskriminierung aus eigenen Erfahrungen im Schulalltags mit vielen kurzen Szenen anschaulich gemacht. Und weil eben alle ungleich sind und keiner dem anderen völlig gleich, steht am Ende ihres Stücks die beunruhigende Erkenntnis: „Jeder kann jederzeit aus den unterschiedlichsten Gründen Opfer von Diskriminierung werden.“ Am Anfang freilich steht eine Selektion. Einige der Darsteller sitzen im Publikum, andere fischen sie aus der Menge heraus. Ein besonders groß gewachsener Darsteller geht bedrohlich ein Lasso schwingend herum. Zwei Selektierer gehen mit Messgeräten durch die Reihen, legen sie einigen im Publikum an und rufen sich unverständliche Angaben zu wie „vier Kubik“ oder „drei Quadrate“. Zuschauer dürfen sitzenbleiben, ihre Mitspieler fordern sie barsch auf, die Plätze zu verlassen. Die Darsteller erkennen sich untereinander, weil alle gleich gekleidet sind. Alle tragen eine schwarze Hose und ein weißes Shirt. Ihre Szenen spielen sie in der Aula mit denkbar einfachen Requisiten: vor einer schwarzen Wand auf einer Art Rampe und in Schulbänken. In den Szenen geht es etwa um eine deutsche Austauschschülerin in Kanada, die dort auf eine deutschfeindliche Lehrerin trifft. „Haben die Deutschen die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg verdient“, lautet das Thema des Aufsatzes, danach ist die Deutsche zur Außenseiterin gestempelt und wird allenfalls noch gefragt, ob sie Juden hasst. In einer anderen Szene lebt ein Lehrer ungehemmt seine Sympathien und Antipathien aus und schafft so die Klassenhierarchie: „Was fair ist und was nicht, entscheide immer noch ich.“ Eine Klasse ist in zwei Lager gespalten, die sich untereinander als dumm und faul, als Streber und Langweiler beschimpfen. Und wenn eine Schülerin ein Handy vermisst, fällt der Verdacht zuerst auf zwei polnische Klassenkameraden, dann auf den Neuen, Ahmed aus der Türkei. Die Opfer von Diskriminierung werden in dem Stück unübersehbar durch Tiermasken gebrandmarkt. Und nach und nach fließt in das Stück eine Definition von Diskriminierung ein: „Bei Diskriminierung handelt es sich um eine Unterscheidung, durch die bestimmte Gruppen oder Personen ausgeschlossen oder benachteiligt werden.“ Diskriminiert wird in dem Theaterstück „... auf der Suche“ von der Gruppe Out des Oppauer Ernst-Kern-Hauses niemand. Hier handelt es sich um das Problem, wie aus einer wilden Piratenmeute eine Gemeinschaft zusammengeschweißt werden kann. Von den 50 Kindern und Jugendlichen, die die offene Einrichtung regelmäßig aufsuchen, treten 15 unter der Leitung des Theaterpädagogen Roger Schalber auf. Eine Schatzsuche gibt der Handlung den Rahmen. Dabei lernen die Kinder allmählich, ihren Egoismus zugunsten der Gemeinschaft hintanzustellen. Im Vordergrund des Auftritts allerdings steht Rockmusik, viel Rockmusik mit eigenen Liedern. Es dürfte sich um die nettesten Piraten handeln, die jemals ein Meer unsicher gemacht haben.

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