Landau Erinnern stiftet Frieden

Oberbürgermeister Thomas Hirsch spricht vor knapp 200 Menschen in der Marienkirche.
Oberbürgermeister Thomas Hirsch spricht vor knapp 200 Menschen in der Marienkirche.

Mit der Europahymne, Beethovens Ode an die Freude, ist gestern eine bewegende Gedenkveranstaltung zum Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren in der Landauer Marienkirche zu Ende gegangen. Oberbürgermeister Thomas Hirsch, Bürgermeister Claude Sturni aus Haguenau und Bürgermeister Jean-Louis Christ aus Ribeauvillé betonten die Bedeutung Europas für die Friedenssicherung und umarmten einander. Am Vormittag hatten Landauer und Gäste aus den elsässischen Partnerstädten bereits einen ökumenischen Gottesdienst in der Stiftskirche gefeiert. „Gemeinsame Erinnerungen sind manchmal die besten Friedensstifter.“ Mit diesen Worten Marcel Prousts leitete Hirsch seine Ansprache vor knapp 200 Zuhörern ein, unter denen sich auch die französische Generalkonsulin Pascale Trimbach befand. „In Deutschland sind wir uns unserer Schuld an diesem Krieg bewusst“, versicherte er. Aus erbitterter Feindschaft sei eine enge und fest verankerte Freundschaft gewachsen, aber weltweit habe es im vergangenen Jahr noch mehr als 220 kriegerische Auseinandersetzungen gegeben. „Die Erinnerung lehrt uns, wie wichtig Toleranz, Völkerverständigung, Versöhnung, Vorurteilslosigkeit und Frieden sind“, sagte Hirsch und betonte, dass es in einem friedlichen Europa keine Sieger und Verlierer gebe, sondern nur Gewinner. Es sei jedoch „brandgefährlich, dass in Europa politische Strömungen wieder neu auf Spaltung und Nationalismus aus sind“. Der deutsch-französischen Freundschaft komme für die Einheit Europas eine besondere Bedeutung zu. Sturni sagte, dass viele französische Kämpfer seinerzeit gedacht hätten, dass der grausige Erste Weltkrieg der allerletzte gewesen sei, doch schon 20 Jahre später habe der Kontinent Europa im Herzen eines Zweiten Weltkrieges gestanden, „der noch mörderischer, noch verheerender, noch grauenvoller werden sollte“. Aus Hass, Not und Zerstörung sei die Idee eines vereinten und solidarischen Europa erwachsen, „aber dieses Europa ist heute gefährdet“. Es gelte, dieses Europa „auf allen Ebenen durch einen Aufschwung an Solidarität und bürgerschaftlichem Einsatz neu zu gründen. Dies kann nur durch das Engagement der Mehrheit geschehen“. Christ sprach von Meisterwerken menschlicher Schaffenskraft, von Schlössern, Palästen, Kirchen, Moscheen und Kathedralen sowie literarischen, musikalischen, bildlichen, handwerklichen und kulturellen Werten auf der einen Seite, von Ruinenfeldern, Friedhöfen und Schlachten auf der anderen, weil Monarchen, Staats- und Regierungschefs, Politiker und Militärs im Namen des Patriotismus, der Vaterlandsverteidigung, der Vorteile eines Geschäftsmodells oder einer Völkervereinigung um die Macht gestritten hätten. Die Erinnerung daran dürfe nie erlöschen. „Wir haben die Verantwortung, daran zu erinnern, dass eine extreme Doktrin immer eine extreme Reaktion erzeugt“, sagte Christ. In einem langen Zug über von der Polizei abgesperrte Kreuzungen ging es anschließend zum Französischen Friedhof, einer internationalen Kriegsgräberstätte, auf dem auch ausländische Zwangsarbeiter beigesetzt sind. Dort legten Deutsche und Franzosen Kränze und weiße Rosen nieder, begleitet vom Trompetensolo „Ich hatt’ einen Kameraden“. 73 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erinnert eine neue Gedenktafel vor der evangelischen Kirche in Godramstein an die Godramsteiner Opfer dieses Krieges. Ortsvorsteher Michael Schreiner (CDU) enthüllte sie zu den Klängen desselben Trompetensolos. Initiiert hatte diese Tafel Roland Kühner aus Annweiler. Er berichtet, dass seine aus Godramstein stammende Mutter ihm als Kind und Jugendlicher von den verheerenden Folgen des Krieges berichtet habe. „Diese Gedenktafel soll uns Nachgeborene, die wir in Frieden aufgewachsen sind, mahnen, uns immer für den Frieden einzusetzen, damit Krieg unmöglich wird“, so Kühner. Schreiner sagte in der gut besetzten evangelischen Kirche: „Ich gehöre zu der Generation, die in Frieden und Freiheit aufwachsen durfte, dafür bin ich meinen Vorfahren dankbar.“ Doch das sei keineswegs selbstverständlich. Zu viele Menschen erlebten heute noch Krieg, Terror, Gewalt, Flucht und Vertreibung. Dass man daran als einzelner nichts ändern könne, will Schreiner nicht akzeptieren. Jede und jeder trage Verantwortung für sein Denken und Handeln und dessen Folgen. Die Augen vor Unrecht und Ungerechtigkeit zu verschließen, sei keine Option. „Der Volkstrauertag erinnert uns an die Menschen, die heute noch unter Krieg, Terror und Gewalt leiden und fliehen. Mit Richard von Weizsäcker müssen wir uns fragen: Verschließen wir die Tür denen, die Schutz vor Krieg und Terror suchen oder stehen wir ein, für eine bessere Welt?“ Dekan Gottfried Böhm plädierte: „Wir müssen den schweigenden Toten eine Stimme geben. Sie mahnen uns, aktiv für den Frieden zu werden“. Die Gedenktafel bringt, so Schreiner, „die Vergangenheit zum Reden, wir müssen ihr zuhören und uns dann einsetzen für eine friedlichere Welt – direkt bei uns: hier und heute.“ Kreis SÜW und Germersheim

Ortsvorsteher Michael Schreiner enthüllt die neue Gedenktafel für die Opfer des Zweiten Weltkrieges in Godramstein.
Ortsvorsteher Michael Schreiner enthüllt die neue Gedenktafel für die Opfer des Zweiten Weltkrieges in Godramstein.
Am Kriegerdenkmal von 1919 wurden Kränze niedergelegt.
Am Kriegerdenkmal von 1919 wurden Kränze niedergelegt.
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