Kreis Südliche Weinstraße Dieter ziert sich

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Impflingen. Das erste, was einem am Samstag in der Impflinger Bruchgasse entgegenkommt, ist ein Vogelhaus. Kein Häuschen. Ein Haus. Achteckig, samt Standpfahl. Ein Trumm von einer Flattermannherberge. Dahinter ein freudig blickender Herr, der seine Last trägt wie ein Ritter seine Lanze. Freiherr von Schnepfenflug kehrt heim nach erfolgreicher Schnäppchenjagd. Ein paar Meter weiter erneut: Vogelhaus, Mann, Beute, Triumph. Hier muss irgendwo ein Nest sein. Willkommen beim Frühjahrsputz mit dem „Trödeltrupp“. Die Kellerausräumer, Garagenleerer und Hinterhausentrümpler des TV-Senders RTL II um Trödel-Profi Mauro Corradino sind dem Hilferuf der Familie Rihm gefolgt, die endlich „einen Schnitt machen will“, wie Haus- und Hofherr Wolfgang sagt. In erster Linie einen inhaltlichen. Gemeinsam mit seiner Frau Jeanette, 62, hat der 70-Jährige mit dem dichten, weißen Bart jahrzehntelang auf Flohmärkten an vorwiegend rustikalen Groß- und Kleinodien gesichtet, gekauft, nach Impflingen gekarrt, hergerichtet, sortiert und aufgestapelt, was ihm gerade so in die Quere kam. Damit soll jetzt Schluss sein. Zumal Sohn Matthias mit der Leidenschaft und den gehorteten Schätzen seiner Eltern wenig anfangen kann. „Er hat uns halt machen lassen, weil wir Spaß dran hatten“, sagt Jeanette Rihm. Allmählich wuchs ihnen die Sammlung im Wortsinn über den Kopf. Die Scheune ist bis unter die oberste Ziegel vollgestopft. Alte Radios und Uhren an den Wänden. Milchkannen. Küchenzeug. Bettflaschen. Holz befeuerte Backöfen. Möbel. Jeanette Rihm steht in einem Abteil voller Gemälde. „Ja, wir können uns von den Sachen trennen. Mittlerweile sind wir so weit“, sagt sie. Unter anderem der Hausflohmarkt unter Anleitung der Kölner Ramschräumer soll reinen Tisch machen, auch mit dem, auf dem Dutzende alte Kaffeekannen stehen. Zwei Frauen schleppen verwitterte Fensterläden raus. Ein offenbar Kundiger hat sich eine Kiste Zink-Geschirr gesichert („das wird eingeschmolzen“). Eine Billigheimerin hat zwei Puppen ergattert. Oben auf dem Scheunenboden steht ein Leiterwagen. Von der Decke baumelt ein Pferdeschlitten, gleich über dem Wurstkessel. Landwirtschaftliche Geräte. Räder. Reifen. Plunder-Wunder. Zigtausende Stücke. Fast alles bodenständiger Landmann-Stil. Gefühlt die Inneneinrichtung von mindestens einem Dutzend uriger Weinstuben. Alles geordnet, alles adrett, alles an seinem Platz. Aber auch: alles voll. Das einmal ausräumen zu müssen, „das wollten wir unserem Sohn nicht aufbürden“, sagt Jeanette Rihm. Also wandten sie und ihr Mann sich an einen, der mittwochs, sonntags, montags, samstags, im Grunde im Dauereinsatz, auf RTL II den Eindruck vermittelt, liebgewonnenen Tand bewerten und zu einem guten Preis losschlagen zu können: an Mauro vom „Trödeltrupp – Das Geld liegt im Keller“. Doch vor den Lohn haben die Götter den Schweiß gesetzt. „Wenn ich mit dir fertig bin, brauch“ ich ’ne Therapie.“ Mauro Corradino, Sohn sizilianischer Eltern, ist eine rheinische Frohnatur. Dem Antiquitätenhändler ist so leicht die Stimmung nicht zu verhageln. Aber Bieter Dieter müht sich nach Kräften. Worum es geht: Um eine alte Nähmaschine mit Blümchendekor, einen uralten Kinderwagen in Korbgeflecht-Optik, eine Bauernkiste und diverse Kleinteile. Dieter will für alles 125 Euro hinblättern, Familie Rihm hätte aber gern 250 Öcken. Klare Sache für Feilsch-Profi Mauro: „So weit seid ihr nicht auseinander. Mach mal was drauf.“ Dieter ziert sich. Packt einen Zehner dazu. Mauro ist fast beleidigt. Bei 150 Euro haut Dieter die Bremse rein. Mauro lockt mit dem besonderen Look der Nähmaschine. Geht noch was? „Des is des schäänschde Stieck dohin“, grummelt Dieter. Aber er will nicht mehr zahlen. Hier ist jeder per Du, doch perdu ist fast das Geschäft. Bis Dieters Gattin erscheint. „Hopp, mach 175 Euro un guud is.“ Dieter gibt auf, Mauro ist geschafft. Alla hopp. „Ich sag dir, ich mach das jetzt schon neun Jahre, aber es ist immer wieder neu für mich. Ich weiß nie, was mich erwartet. Das trifft mich dann wie ein Komet aus dem All“, sagt Mauro und setzt sein sympathisches Grinsen auf. Vermutlich könnte er auch der Fleischer-Innung eine Palette Tofu-Burger verhökern. Tutto chiaro, alles klar, die Menschen rufen ihn, weil er sich auskennt mit Trödel. „Aber alles weiß ich auch nicht“, bekennt Mauro. Dafür habe er seine Informanten. Und eben den unbelasteten Blick von außen. „Für die Sammler und ihre Familien ist das immer schwer, sich von den Dingen zu trennen. Da ist es denen schon ganz lieb, wenn ich das mache.“ Vor allem, weil Mauro gewieft ist. Am Vortag hat er Wolfgangs Modellautos an den Mann gebracht. Zu den gut 500 Teilen hatte der gelernte Auto-Mechaniker und –spengler eine besondere Beziehung. Mauro hat erst Interessenten angefunkt und dann die kleinen Flitzer auf dem Siegerpodest der Landauer Kart-Bahn hübsch drapieren lassen, getreu seiner eisernen Regel: „Du kannst alles verkaufen, es muss nur dekorativ sein.“ Dann hat er gefeilscht. Wie ging’s aus? Mauro grinst. „Wir haben sogar 200 Euro mehr bekommen als unseren Wunschpreis.“ Zum Schluss wurde der Zuschlag gar per Kart ausgefahren. „Die große Kunst ist, immer noch was rauszuholen, wa?“, sagt Mauro. Abends gab’s Wurst- und Kartoffelsalat bei den Rihms. „Ich komme mit den Pfälzern gut klar, ich mag den Menschenschlag“, sagt der 46-Jährige. Vielleicht ist er deshalb so oft da. Zuletzt half er 2015, die Speyerer Sportarena der Box-Weltmeisterin Silke Weickenmeier abzuwickeln, 2016 sorgte er in Schwegenheim für einen Volksauflauf. In der Impflinger Scheune muss nun die nächste Szene in den Kasten, der Drehplan ist eng getaktet, die Zeit knapp. Mauro will noch ein Geschäft vor laufender Kamera abwickeln. Währenddessen pirschen zwei Germersheimer, Vater und Sohn, 61 und 25, durch die Medien- und Elektroabteilung. Junior erwählt einen alten Plattenspieler und einen tragbaren Farbfernseher, der Vater berichtet stolz von der Motorhaube eines VW-Käfer, die er von der Scheunenwand pflückte. Allerdings schwant ihm schon: „Da schaut mich meine Frau scheel an, wenn ich damit nach Hause komme!“ Apropos scheel: Die meinige wird ebenfalls sehr fragend schauen, wenn sie die angestaubte Platte „Partisanenlieder“ der Pirmasenser Volkssänger Hein & Oss Kröher entdeckt. Am Ende wird dennoch nur ein Teil der angehäuften Dinge den Besitzer gewechselt haben. Mauro hofft, für den ein oder anderen größeren Posten einen Aufkäufer zu begeistern, doch es ist einfach viel Stoff. „70 Jahre gelebtes Leben, da muss ja auch was da sein“, sagt er. Da kommt ein Mann vorbei, er hat eine Marderfalle erstanden, für 35 Euro. Sein Problem: „Ich habe daheim eine Sammlung ausgestopfter Tiere. Die werden vom Marder immer noch ein zweites Mal getötet.“ Dann zeigt er Mauro einen Ordner mit Bildern alter Möbel und anderem Kram, der bei ihm rumsteht. Sieht so aus, als würde die Pfalz den Trödeltrupp nicht loslassen.

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