Kusel „Steuer-Sparmodell“ und Lebensabend an der Nordsee

Die systematische Erleichterung des Kontos einer alten Frau sei nichts anderes als ein „Steuer-Sparmodell“ gewesen – angeregt, gewünscht und genehmigt von der Seniorin selbst. So jedenfalls hat der Angeklagte im Untreue-Prozess vor dem Landgericht Kaiserslautern gestern erklärt, warum er mehr als 330.000 Euro abgezweigt und eine Art Schenkung über eine Viertelmillion angenommen hat.

Den Begriff prägte der Vorsitzende Richter: „Habe ich richtig verstanden? Das Ganze war das Steuer-Sparmodell der Frau B.?“ Genau so verhalte es sich, bestätigte der 66-Jährige. Die Frau selbst habe das alles veranlasst. Ihre Einstellung sei gewesen: Nur nichts dem Staat überlassen. „Das passiert meinen Nachkommen nicht“, habe die Seniorin gesagt, nachdem sie ihre Schwester beerbt und dafür hohe Steuern habe zahlen müssen. Die Nachkommen, denen die seinerzeit in einem Kuseler Pflegeheim lebende Frau genau dies ersparen wollte, waren keine anderen als eben jene 66 und 64 Jahre alten Eheleute, die sich seit Montag vergangener Woche vor der Strafkammer des Landgerichts verantworten müssen (wir berichteten). Denn, wie der Angeklagte gestern auch betonte: Es habe ja ein Testament gegeben, das ihn und seine Frau als Erben des Vermögens ausgewiesen habe. Die alte Frau habe dem Ehepaar ja den Lebensunterhalt finanzieren wollen, behauptete die Angeklagte. Daher habe sie auch den Kauf des Hauses auf einer Nordseeinsel ermöglicht. Es sei vorgesehen gewesen, dass die Frau mit ihnen dort den Lebensabend verbringt.

Wie angekündigt, haben sich gestern die beiden Angeklagten erstmals zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen geäußert. Der Frau wird vorgeworfen, als Betreuerin einer anderen Frau rund 19.000 Euro veruntreut zu haben. Ihr Ehemann soll eine Generalvollmacht ausgenutzt haben, um die andere Seniorin um mehr als 330.000 Euro zu bringen.

Die 64-Jährige geriet allerdings in arge Erklärungsnot: Gestern Morgen war das mutmaßliche Opfer als Zeugin gehört worden. Später behauptete die Angeklagte, die in einem Heim im Norden des Kreises lebende Betreute habe all die Kontoverfügungen gewünscht und abgesegnet. Angebliche Belege dafür legte die Angeklagte erst gestern vor, woraufhin der Vorsitzende sich sehr verwundert zeigte.

Und: Auf Antrag der Staatsanwältin wurde die Frau, die im Rollstuhl sitzt, noch einmal vors Zeugenmikrofon gebeten. Dort wurde sie mit den Belegen konfrontiert, die sie laut Behauptung der Angeklagten unterzeichnet haben soll. Kopfschüttelnd las die Frau die Schriftstücke durch: „Das habe ich niemals gesehen.“ Das habe sie nie unterschrieben.

Die Angeklagte hatte behauptet, die Frau – die von allen Zeugen zuvor als äußerst sparsam beschrieben worden war – hätte das Geld ausdrücklich haben wollen. Vom Richter auf den Betrag von 1700 Euro angesprochen, der im Dezember 2010 vom Konto der Betreuten abgehoben worden war, hatte die Angeklagte eine Erklärung: Die Frau habe zu Weihnachten Leute beschenken wollen, habe zudem Süßigkeiten gewünscht, die man ihr im Heim nicht hatte geben wollen. Die Frau habe sie gebeten, dem Personal nichts zu verraten. Von dem Geld will die Angeklagte nichts für sich selbst genommen haben.

Zur Sprache kam auch noch einmal das Testament der Seniorin: Die Zeugin bestätigte, dass die Angeklagte ihr vorm Gang zum Notar gesagt habe, sie solle an sie denken. Tatsächlich war es zu einem Testament gekommen, das der Betreuerin ein Drittel des etwa 410.000 Euro umfassenden Vermögens der Heimbewohnerin zugesprochen hätte. Die Frau hat dies inzwischen geändert. Auch vor Gericht bestätigte sie gestern, sie habe nicht gewollt, dass die Betreuerin erbt.

Was das „Steuer-Sparmodell“ betrifft: Wie zuvor seine Frau, so legte auch der Angeklagte – für das Gericht überraschend – angebliche Belege vor. Die Frau, die ihm Generalvollmacht erteilte, habe alles angeordnet und – wie die Belege zeigten – auch abgesegnet, betonte er. Vom Richter darauf angesprochen, nannte der 66-Jährige den Namen eines im Kreis Kusel ansässigen Steuerberaters. Die Frau sei dessen Mandantin gewesen – und der Steuerberater habe ihr erklärt, genau so könne man das machen.

Der Prozess wird am kommenden Montag, 9 Uhr, fortgesetzt. (cha)

x