Kusel „Früher oder später knickt man ein“

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Der Milchpreis ist derzeit so niedrig wie schon lange nicht mehr. Weil im Moment zu viel Milch produziert wird, kostet ein Liter Frischmilch bei Discountern nur noch 55 Cent. Was für Verbraucher positiv klingt, treibt viele Landwirte jedoch in die Existenzkrise.

Seit März bereits registriert der Albesser Landwirt Jörg Brassel einen Einbruch beim Milchpreis. Aktuell erhalte er nur noch 28,5 Cent für den Liter. Lange gehe das nicht mehr gut, prognostiziert er, denn „für diesen Preis produziert niemand“. Wie auch seine Kollegen zahlt Brassel zurzeit drauf, und da sei es nur eine Frage der Zeit, wann Existenzen auf dem Spiel stehen. „Früher oder später knickt man ein“, sagt er. Die Gründe für das Überangebot an Milch sieht der Landwirt aus Albessen in der starken Milchproduktion in den USA, hauptsächlich jedoch im Russland-Embargo. Wegen westlicher Sanktionen hatte Russland einen Importstopp verhängt. Auch in China seien Verbraucher weggebrochen. Für Brassel stellt sich daher die Frage, ob die Landwirtschaft nun politische Entscheidungen ausbaden muss. An die Politik stellt er keine Forderungen – mit Blick auf die Milchquote nicht zuletzt wegen schlechter Erfahrungen. „Das hat viel Geld gekostet“, weiß Brassel, der wie seine Kollegen froh über die Abschaffung der Quote ist. Überhaupt möchte der Landwirt, der 180 Milchkühe im Familienbetrieb zählt, nicht alles schwarz malen. „Ich gehe davon aus, dass sich der Milchpreis wieder reguliert.“ Bei der nächsten Preisrunde erwarte er einen Anstieg. Brassel: „Wir vertrauen darauf, dass der Markt funktioniert.“ Zwar hat er mit seiner Biogasanlage noch ein weiteres Standbein. Dennoch sei als Ausgleich für Substanzverluste der vergangenen Monate ein Milchpreis höher als 35 Cent pro Kilo notwendig. Ein Grund für die derzeit niedrigen Preise sind nach Ansicht von Norbert Bier aus Pfeffelbach die großen Discounter. „Sie versuchen, mit Dumpingpreisen Kunden in ihre Läden zu locken.“ Für Bier, der auf der Bremmenmühle 120 Milchkühe hält, ist das Verhalten der Verbraucher maßgebend. Die Kunden erwarteten immer höhere Standards wie Umweltauflagen und Ansprüche an die Tierhaltung, sagt Bier. Gleichzeitig wünschten sie jedoch günstige Lebensmittel. „Das passt nicht zusammen“, betont er und fordert, Qualität auch zu honorieren. „Wenn sich hier die Produktion für die Landwirte nicht mehr lohnt, kommt die Milch sonst irgendwann aus dem Ausland“, prophezeit er. Auch Norbert Bier zahlt derzeit bei der Milchproduktion drauf. „Wir leben eine Zeit lang von der Substanz“, schildert er die Lage vieler Familienbetriebe. „Das geht aber nur vorübergehend“, weiß er. Bier erwartet einen Preisanstieg, auch aufgrund der anhaltenden extremen Trockenheit, die die Milchproduktion sinken lasse. Der Milchpreis müsse sich über den Markt regeln. „Dann wird sich zeigen, ob wir noch dabei sind.“ Er erwartet durchaus, dass einige Kollegen reduzieren müssen. Insgesamt ist nach seinen Erfahrungen die Preisentwicklung schwer abzuschätzen. Denn „man muss das global sehen“. „Wir müssen ganz klar zur Kenntnis nehmen, dass wir ein Exportland sind“, betont Thomas Zimmer aus Matzenbach. Was sich an den Börsen weltweit tue, sei entscheidend. Zimmer: „Wir sind nicht allein.“ Zum niedrigen Milchpreis trage auch das Russland-Embargo bei, ist er überzeugt, ebenso wie Chinas schwache Wirtschaftskraft. Auf einer Milchauktion in Neuseeland seien die Preise zuletzt unter den Wert von 2008 gefallen, schildert Zimmer. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Uno erreichte der Weltmarktpreis den niedrigsten Stand seit sechs Jahren. Dennoch: Für den Betrieb in Matzenbach sei die Lage nicht existenzbedrohend. „Wir versuchen, unseren Bestand von 110 Milchkühen zu halten“, sagt Zimmer. Doch Betriebe, die jüngst investiert hätten, kämen mit solch niedrigen Preisen kaum über die Runden, schildert der Landwirt. Denn Zimmer hat neben dem Milchpreis auch die Produktionskosten im Blick. Das Futter werde wegen der Trockenheit knapp, beim Mais erwartet er nur die Hälfte des üblichen Ertrags. „Dann sind betriebsinterne Umschichtungen notwendig“, erläutert er. Das Getreide könne nicht in den Verkauf gelangen, weil es als Futter benötigt werde. Die Konsequenz: Einkommen fehlt. Beim Futter kann Zimmer noch auf Vorräte aus dem vergangenen Jahr setzen. Auch seien die Energiekosten zuletzt nicht gestiegen, wie er anmerkt. Insgesamt hatte das Jahr 2014 mit Milchpreisen um 40 Cent recht gut geschlossen. Dennoch wird Unsicherheit die meisten Milchbauern weiterhin begleiten. Denn Durststecken wie aktuell gehen vor allem kleineren Betrieben an die Existenz. Europaweit machten Milchbauern in den vergangenen Tagen auf den Verfall der Preise aufmerksam. In Großbritannien kippten sie sich nach dem Vorbild der „Ice Bucket Challenge“ Milch mit einer Traktorschaufel über den Kopf. Rund 3000 Bauern waren einem Protestaufruf nach Belgien gefolgt, wo Landwirte diese Woche zudem mit Traktoren Autobahnen blockierten. Auch in Frankreich gab es Proteste. Die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz meldet aktuell ein Milchaufkommen weiter über Vorjahresniveau. Allerdings belebe die Hitze die Nachfrage nach Frischeprodukten wie Eis. Der Deutsche Landwirtschaftsverlag registriert indes positive Preissignale. Bei der jüngsten Auktion der Handelsplattform „Global Dairy Trade“ sei der Handelsindex um fast 15 Prozent gestiegen. Damit sei der negative Preistrend zunächst gestoppt. (suca)

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