Kusel Entdeckendes Lernen mit Experten

„Forschen ist eher Lebensstil als Arbeit.“ So zitiert Ute Wolf den Paläogenetiker Sven Pääbo gern. Die Biologin, Erziehungswissenschaftlerin und Museumspädagogin Jahrgang 1952 hat den Leitsatz auf ihre Weise umgesetzt. Seit auf den Tag genau 25 Jahren findet auf Burg Lichtenberg die Forschungswerkstatt für Menschen ab fünf statt – Bildung für nachhaltige Entwicklung, die damals freilich noch nicht so hieß.

Das Thema der ersten Forschungswerkstatt lag auf der Hand. Ab dem 28. März, in ihren Osterferien, untersuchten die ersten von inzwischen mehreren 1000 kleinen Wissenschaftlern auf dem Gelände von Burg Lichtenberg das „Leben einer alten Mauer“. Längst nicht alle, die wollten, hatten einen Platz bekommen. „Die Nachfrage war riesig“, erinnert sich Ute Wolf, die im positiven Sinn so etwas wie die „Mutter der Forschungswerkstatt“ ist. Die, die Glück hatten, leisteten einen erstaunlich kreativen und professionellen Beitrag zur Vervollständigung der damals noch taufrischen Dauerausstellung der Naturschau des Pfalzmuseums für Naturkunde – Pollichia Museum in der Zehntscheune. Vom „Expeditionsbüro“ ging es hinaus ins Feld zum Forschen, Beobachten, Sammeln, dann wieder ins Forschungslabor, wo gezielt und intensiv beobachtet und gezeichnet wurde und schließlich in die Museumswerkstatt, um Modelle zu fertigen und Ausstellungen vorzubereiten. Das entdeckende Lernen von und mit begeisterten Experten in sogenannten Arbeits-Spiel-Räumen blieb im Gedächtnis. Vom tollen Gefühl, in ihrem kleinen Forschungsprojekt wertgeschätzt worden zu sein, berichtete eine Teilnehmerin der ersten Stunde noch Jahre später, als die Forschungswerkstatt ihren 20. Geburtstag in großer Runde auf der Burg feierte. Sie könne heute noch sofort einen Springschwanz, einen winzigen Gliederfüßer, zeichnen, erinnerte sich eine andere. „Wir machen seit 25 Jahren kontinuierlich Umweltbildung für nachhaltige Entwicklung“, sagt Ute Wolf heute nicht ohne Stolz. „Auch wenn damals noch keiner diesen Begriff kannte.“ Die Wurzeln der Forschungswerkstatt liegen in den späten 70er Jahren. Damals begann die junge Biologin und Erziehungswissenschaftlerin Wolf an der Heidelberger Uni Kindern die Forschung nahezubringen. Als Museumspädagogin im Pfalzmuseum machte sie es schließlich zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit. Der Ausbau der Forschungswerkstatt ging einher mit der aufkeimenden globalen Diskussion um den Umgang mit den Ressourcen unserer Erde. „Es galt, passende Bildungsmethoden zu entwickeln. Da wollte ich dabei sein“, sagt Wolf. Das Team ist längst größer geworden, es gibt Nachahmerprojekte über die Pfalz hinaus. Genaue Teilnehmerzahlen liegen nicht vor, aber gute Schätzungen: Zwischen 10.000 und 15.000 Kinder, etliche davon Wiederholer, belegten in den vergangenen 25 Jahren die zwischen einem und fünf Tage dauernden Programme. Mehrere Meter Ordner mit Beobachtungsprotokollen belegen ihren Elan. „In manchen Jahren kommen 300 Kinder, in anderen 1000“, sagt Ute Wolf. Manche Kinder kommen im Teenageralter als Betreuer wieder, andere als Lehrer mit Schulklassen oder als Eltern mit eigenen Teilnehmerkindern. Jährlich finden zwei bis fünf Fortbildungen für Fachkräfte aus Kitas, Schulen und Museen statt, dazu kommen Präsentationen und Vorträge auf Fachtagungen. Finanziert wird das Programm durch seinen Träger, Zweckverband Pfalzmuseum für Naturkunde – Pollichia Museum, der aus dem Bezirksverband Pfalz, den Landkreisen Bad Dürkheim und Kusel, der Stadt Bad Dürkheim und dem Pollichia-Verein besteht. Expeditionsbüro, Forschungslabor und Museumswerkstatt sind bis heute geblieben. Dennoch ging die Forschungswerkstatt mit der Zeit. Auf das Leben in der Mauer und jenes im Boden folgte eine Wurzelwaschküche. Bald fragten sich die jungen Forscher, wie der Wald ins Sachbuch kommt und wieso sich Schmetterlinge eigentlich nicht schmutzig machen. Spielerisch erprobten sie, wie ein Tausendfüßer wohl seine Bewegung koordiniert. Eine Polarforscherin und Illustratoren kamen zu Sonderveranstaltungen, Naturwissenschaft und Technik, Kunst und Kultur befruchteten sich. Mobile Museumskisten verlegten den Forschungsraum ins Umfeld von Schulen, es gibt Juniorpraktika für Teenager, das Urweltmuseum Geoskop weitet zurzeit das bislang eher biologisch orientierte Themengebiet auf Geologie und Paläontologie aus. Aktuell hat die Forschungswerkstatt wieder eine Pionierrolle übernommen: Seit 2013 ermöglicht das von der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz geförderte Pilotprojekt „Pfalzmuseum unterwegs mit dem Artenfinder“ den Brückenschlag von kindgerechter Feldforschung und modernen Datenerfassungsmethoden. (kgi)

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