Kusel Bloß kein Stillstand

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Im Kuseler Raiffeisen-Lager herrscht ständig Bewegung. Denn Stillstand bekäme den tausenden Tonnen Getreide, die das Lager jede Saison durchlaufen, nicht gut. Die Ernte dieses Jahres ist laut Leiter Klaus Rech gut. Die Getreidepreise sind heute am Weltmarkt orientiert, erneuern sich im Minutentakt.

Von Juli bis Ende August fahren die Landwirte ihre Feldfrüchte zum Raiffeisen-Lager nahe des Kuseler Bahnhofs. Etwa 1500 Tonnen Getreide kann das gesamte Lager fassen, bis zu 8000 Tonnen durchlaufen es pro Saison. Nach erfolgreicher Ernte heißt es daher auch gerne mal: Schlangestehen mit Traktor und Anhänger. Ist dies bewältigt, wird das Getreide in einen Schacht gekippt. Über etliche Förderbänder und Rohrleitungen verteilen sich die Feldfrüchte dann auf 14 einzelne Silos. Kleine Proben werden gleich entnommen – Gewicht, Feuchtigkeit und Eiweißgehalt der Früchte werden bestimmt. Bis zur Auslieferung wird das Getreide im Silo nicht still stehen. Denn die enormen Mengen erzeugen einen hohen Druck. Es wird warm, und das kann dem Getreide schaden, wie der Leiter des Raiffeisen-Marktes, Klaus Rech, erklärt. Er demonstriert die Prozedur: Nur ein Blick auf die große Kreidetafel in der Silo-Halle sowie einige Handgriffe genügen – und gleich darauf raschelt es überall. Aus einem Rohr schießt von oben das Getreide runter. Ein Förderband bewegt es wieder nach oben. Das wird das Getreide bis zu seinem Abtransport wieder und wieder erleben. Das regnerische Wetter der jüngsten Vergangenheit schadet den Feldfrüchten. Die Erntearbeiten in den Höhenlagen hätten auch in der vergangenen Woche nicht abgeschlossen werden können, weiß Rech. Noch bis zu 40 Prozent der Weizen- und Sommergerstebestände stünden noch auf den übernässten Flächen der Region. Vor allem beim Weizen müsse deshalb mit größeren Qualitätseinbußen gerechnet werden, erklärt der Fachmann weiter. Viel Auswuchs und das vermehrte Auftreten sogenannter Mutterkorne seien Folgen des regnerischen Sommers. Beides habe mit Veränderungen des Ernteguts zu tun, erläutert Rech. Als Auswuchs bezeichne man das ungewollte und vorzeitige Keimen der Früchte noch auf den Feldern. Bei Mutterkorn handelt es sich um eine längliche, kornähnliche Dauerform des Mutterkornpilzes, das sich auf der befallenen Ähre bildet. Es ist giftig, für Mensch und Tier sehr gefährlich. Für bestimmte Bereiche der Pharmaindustrie ist das die Mutterkorn alles andere als wertlos, für die Bauern bedeute das vermehrte Auftreten aber: Ertragsminderung. Dennoch: Trotz der schlechten Wetterbedingungen, die mit Qualitätsproblemen einhergehen, sehe es beim Ernteertrag in diesem Jahr nicht schlecht aus, berichtet Rech. Im Vergleich zum Vorjahr könne man von einer „guten Ernte“ sprechen. Bei Weizen, Triticale und Wintergerste dürfte der Durchschnittsertrag seiner Lieferanten in diesem Jahr bei jeweils etwa sechs Tonnen liegen. Den Ertrag für Braugerste, Roggen und Raps beziffert Rech für den einzelnen Bauern auf etwa fünf Tonnen – die Erträge seien niedrig geschätzt. Für qualitativ hochwertiges Brotweizen zahlen die Abnehmer momentan etwa 15 Euro pro 100 Kilogramm. Für 100 Kilogramm Brotroggen bekommt der Bauer rund 14 Euro, 28 bis 30 Euro für Raps, und für Braugerste steht der Preis bei etwa 17 Euro. Etwa 40 Prozent der regionalen Erträge (hier handelt es sich um Futtermittel) gingen in die Niederlande. Auch Unternehmen in Frankreich und Belgien seien Abnehmer der Kuseler Ware. Die Preise für Futtermittel werden vom Weltmarkt bestimmt. Klaus Rech, der „von der Pike auf bei Raiffeisen gelernt“ hat, erinnert sich an vergangene Zeiten: Große Mühlen hätten damals ihren Preis ausgeschrieben – dieser habe fast für die gesamte Saison Gültigkeit gehabt. Auch hätten die „damals viel zahlreicheren und kleinen“ Landwirte Verträge zu festen Preisen abschließen können – eine gute Planungssicherheit zum Wirtschaften mit den Fürchten war gegeben. Die Preise sind seit dieser Zeit – und vor allem seit der Orientierung am Weltmarkt – stark gefallen. Doch die Bauern wurden zu Großunternehmern, und technisch aufgerüstetes Saatgut sorgt für die notwendigen Erträge, trotz geringerer Preise. Der Preis steht nicht mehr auf einer Kreidetafel vor den Mühlen: Auf dem Computer-Bildschirm bekommt Rech die aktuellen Marktpreise anzeigt – und dort erneuern sich die Getreidepreise im Minutentakt.

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