Kreis Kaiserslautern „Es könnte uns jederzeit treffen“

Foto-Ausstellung zum Thema Krieg oder Freizeitbad „Monte Mare“? An ihrem „Wandertag“ haben sich die 19 Schüler der Klasse 9d der Integrierten Gesamtschule (IGS) in Enkenbach-Alsenborn für die erste Option entschieden. Vielleicht mit sanfter Unterstützung ihrer Lehrerin für Gesellschaftskunde, Claudia Neumann. Denn erst vor kurzem hatte der Erste Weltkrieg für die 14- bis 16-jährigen Schüler auf dem Lehrplan gestanden.

Also ging es gestern Vormittag auf Expedition in die Kaiserslauterer Pfalzgalerie zur Ausstellung „at war“ mit Kriegsbildern der im April 2014 getöteten Fotografin Anja Niedringhaus. Die Fotos zeigen einen Stoff, der keineswegs 100 Jahre zurück liegt. Vielmehr handelt es sich um die Kriege der Gegenwart, von denen die Bildjournalistin berichtet hat: Blutige Auseinandersetzungen in Afrika, Vorderasien und Palästina, in denen auch heute noch jeden Tag Menschen zu Tode kommen. Auch Niedringhaus selbst verlor dabei ihr Leben: Beim Einsatz in Afghanistan wurde die engagierte Fotografin von einem Polizisten erschossen (wir berichteten). Wie gehen junge Menschen aus der Westpfalz mit einem solchen Thema um? Julia Suchoroschenko, studierte Museumspädagogin und an diesem Tag als Führerin durch die Ausstellung engagiert, hat sich für die Schüler einen besonderen Einstieg ausgedacht. Nicht die ganze Gruppe auf einmal soll durch die Räume im zweiten Stock der Pfalzgalerie laufen, sondern kleine Grüppchen mit zwei oder drei Schülern. Ihre Aufgabe: Sie sollen sich unter den rund 100 Schwarz-Weiß-Fotografien ein Motiv aussuchen, das sie besonders anspricht. Und anschließend den anderen berichten, was sie in diesem Bild gesehen und was sie dabei empfunden haben. Das Ergebnis widerlegt so manches Vorurteil, dass man gegenüber der „Jugend von heute“ haben könnte. Es sind nämlich keineswegs die besonders blutigen Motive, die die Schüler am stärksten beeindrucken. Vier der insgesamt sieben Kleingruppen suchen sich Bilder aus jenem Bilderzyklus der Ausstellung aus, der mit dem Titel „Stille und Kontemplation“ überschrieben ist. Er zeigt Soldaten und Zivilsten während der Kampfpausen, manchmal in einer grotesk wirkenden Umgebung: In einem Wohnhaus, das bis eben offenbar umkämpft war. Bei einem Begräbnis, das aus Platzmangel in einem Schrebergarten stattfindet. Oder beim Besuch des Weihnachtsmanns bei einer Gruppe aus Hunderten US-amerikanischer Soldaten. „Gerade diese Bilder finde ich besonders aufwühlend“, berichtet denn auch die 15-jährige Elena Münch aus Frankenstein. „Und sie machen mich auch wütend. Wie kann so etwas in unserer Zeit passieren?“, fragt sie sich. Und was ist aus den Menschen geworden, die solche grausamen Situationen überlebt haben? Wie kann man so etwas überhaupt verarbeiten?“ Niklas Molter (15), ebenfalls aus Frankenstein, findet: „Auf den ersten Blick strahlen die Fotos etwas Positives aus. Wenn man genauer hinschaut, merkt man erst, dass sie im Krieg aufgenommen wurden. Es sind grausame Erlebnisse, die den Betroffenen noch lange anhängen werden.“ Eindrücke, die an diesem Vormittag natürlich nicht alle 19 Schüler der IGS Enkenbach-Alsenborn erreichen. Einigen Teilnehmern sieht man regelrecht an, wie sie angesichts der Bilderfülle um jeden Preis „cool bleiben“ möchten. Sophie Felker, 15 Jahre alt, zieht für sich allerdings ein etwas anderes Fazit: „Es ist gut, dass diese Ausstellung gemacht wurde. So etwas muss gezeigt werden, auch wenn manche Fotos grausam sind. Denn uns kommt der Krieg immer so weit weg vor, dabei ist er Gegenwart. Und es könnte jederzeit auch unsere Familien treffen.“

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