Kandel Stolpersteine mit Schwämmchen gereinigt

Die Schülerinnen und Schüler reinigen die Stolpersteine.
Die Schülerinnen und Schüler reinigen die Stolpersteine.

Deutlich sichtbar bleiben sollen die Stolpersteine, die an die Ermordung einer Familie erinnern. Anlässlich des Gedenktags ging es um die Schicksale, die hinter diesen Steinen stecken.

An die Geschichte der jüdischen Familie Haas aus Kandel erinnern seit 2012 fünf Stolpersteine, die der Künstler Gunter Demnig in der Rheinstraße verlegt hatte. Wegen des Ausbaus von Straße und Gehweg wurden die Steine zunächst entfernt. Doch schon seit 2019 befinden sich die Steine wieder an der wohl historisch korrekteren Stelle. Am Mittwoch, dem Jahrestag der Reichspogromnacht – in der Nacht vom 9. November auf den 10. November 1938 gab es geplante gewaltsame Übergriffe auf Menschen jüdischen Glaubens – fand vor dem Anwesen Rheinstraße 16 (Gästehaus Hotel Zum Rössel) eine kleine Gedenkveranstaltung statt.

Eingravierte Texte lesbar gemacht

Mit dabei waren Schülerinnen und Schüler der IGS Kandel, die sich im Zuge der Arbeitsgemeinschaft „Schule ohne Rassismus –Schule mit Courage“ mit dem Schicksal der jüdischen Bevölkerung nach der Machtübernahme Hitlers im Jahre 1933 beschäftigen, einige Bürger und mit Martin Lind von den Grünen ein Fraktionsvorsitzender des Stadtrates. Die Schüler legten erst einmal kräftig Hand an, um die fünf Stolpersteine aus Messing wieder „sichtbar“ zu machen. Mit Schwämmen und Schmierseife sorgten sie dafür, dass die eingravierten Texte wieder lesbar wurden, den Passanten damit auch wieder besser ins Auge fallen und sie damit zum Nachdenken angeregt werden.

Die Messingplatten auf den Steinen erinnern an Ida und Oskar Haas, die beide 1938 aus Kandel „unfreiwillig“ verzogen waren und 1941 sowie 1940 im Lager Gurs in Südfrankreich ums Leben kamen. Aber auch an drei Verwandte, Bertha Haas, Otto Julius Haas und Paul Richard Haas, die ebenfalls ins Lager Gurs kamen. Von dort aber gelang ihnen die Flucht und schließlich die Ausreise in die USA. Werner Esser, Beigeordneter der Stadt Kandel und bekannter Heimatforscher, erinnerte auch an die Vorgeschichte des lange verharmlosend als „Reichskristallnacht“ bezeichneten Datums und an die Rolle der Juden, die als „Sündenböcke“ für so vieles herhalten mussten und immer mehr verfolgt wurden.

Auch in Karlsruhe kein sicheres Leben

So betrieb die Familie Haas einen Landhandel, verkauften Düngemittel und Saatgut. Das Leben wurde ihnen immer schwerer gemacht, denn auf den im Stadtgebiet aufgehängten Plakaten stand die Aufschrift: „Kauft nicht bei Juden!“ Die Familie blieb dennoch zunächst in Kandel wohnen, ehe es nach der Verwüstung ihres Hauses für sie zu gefährlich wurde. Sie hatten die Hoffnung, in Karlsruhe sicherer leben zu können, was jedoch auch nicht zutreffen sollte. Esser und seine Mitstreiterin Ute Keppel berichteten auch von erschütternden Dokumenten, die sie bei ihren Nachforschungen im Landesarchiv gefunden hatten. So die Geschichte eines dunkelhäutigen Mannes, der sich in eine Frau verliebt hatte und entsprechend behandelt und kastriert wurde.

Auch an die Schicksale vieler Patienten, die in der Klinik in Klingenmünster als „unwertes Leben“ behandelt wurden, müsse man denken, meinte Esser. Er dankte der Arbeitsgruppe der IGS mit ihrer Lehrerin Gudrun Kampen, die sich intensiv mit Formen des Rassismus beschäftigen. Gudrun Kampen berichtete auch über eigene Nachforschungen. Demnach habe sich nur ein Nachbar für die Familie Haas eingesetzt und wurde dafür einige Zeit eingesperrt. Die PogromnachStolpersteinsei keineswegs, wie damals von den Nazis verbreitet, ein Racheakt für die Ermordung eines deutschen Diplomaten gewesen, sondern wurde von langer Hand vorbereitet. Schüler der Arbeitsgruppe stellten die fünf verfolgten Angehörigen der Familie Haas vor, ehe mit einer Schweigeminute die Gedenkstunde beendet wurde. Er hoffe, so Werner Esser, dass die Stolpersteine wieder mehr Beachtung finden.

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