Kandel Schüler arbeiten freiwillig in den Ferien

Praktikantin Vanessa Wenk von der Realschule plus Kandel mit dem technischen Ausbildungsleiter Sebastian Harz der Graf Hardenber
Praktikantin Vanessa Wenk von der Realschule plus Kandel mit dem technischen Ausbildungsleiter Sebastian Harz der Graf Hardenberg-Gruppe im VW-Zentrum in Karlsruhe.

Wie begeistert man eine Schülerin für Automechanik oder einen Schüler für einen Verwaltungsjob? Mit Kooperationen mit Wirtschaft und Stadtverwaltung. Drei Schulen berichten, wie das geht.

Vor allem technikaffine Mädchen sollen von einer neuen Kooperation der Realschule plus Kandel und der Graf Hardenberg-Gruppe profitieren, sagt Schulleiterin Cornelia Geiser. Die Automobilhandelsgruppe beschäftigt rund 1800 Mitarbeitende an 18 Standorten und 35 Betrieben in Baden-Württemberg und der Südpfalz. Schulleiterin Geiser nennt ein wichtiges Kriterium für die Unterstützung: „Häufig wollen Jugendliche auch außerhalb der üblichen Praktika Erfahrungen sammeln. Dafür sind sie gerne bereit, Teile ihrer Ferien zu opfern. Dafür habe ich jetzt einen konkreten Partner, zu dem sie unbürokratisch und auch mal kurzfristig gehen können.“

Schon als Kind an Autos geschraubt

Ein weiteres Ziel der Schule sei die Verbreiterung des Spektrums für Mädchen: „Ich möchte sie nicht in die Ecke der üblichen Berufe zwängen, die Frauen immer noch zugedacht werden“, so Geiser. Im Fall der Kandelerin Vanessa Wenk scheint das gelungen. Die Achtklässlerin hat mit mehreren Mitschülern im November ein Praktikum als Kfz-Mechatronikerin am Hardenberg-Standort Karlsruhe absolviert. Sie war hellauf begeistert. Sie möchte nun diesen Beruf erlernen, kann es kaum abwarten. Sie erwägt sogar, deshalb die Schule bereits nach der neunten Klasse zu verlassen. Die 14-Jährige schwärmt: „Ich wurde sehr herzlich aufgenommen, bekam immer alles genau erklärt und durfte ganz viele Arbeiten alleine ausführen.“ Vanessa Wenk wuchs in der Werkstatt auf, half ihrem Vater Thomas schon als kleines Mädchen beim Schrauben und Reparieren alter Autos. In jeder freien Minute ertüchtigt sie einen Opel Vectra, den sie nach Erwerb des Führerscheins selbst fahren möchte. Ihre Freundinnen finden ihre Berufswahl „einfach nur megacool“.

Die Idee dieser engen Form der Zusammenarbeit hatte der Chef selbst. Lenny, der Sohn von Vorstand Volker Brecht aus Büchelberg besucht die Klasse 6c der Schule. Im Juni besuchten über 30 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 8 und 9 mit ihrem Lehrer und Berufswahlkoordinator Jens Willich das Audi-Zentrum Karlsruhe. Am „Zukunft läuft-Tag“ im September konnte der Azubi Evran Kiziltas mit Fragen gelöchert werden. Das nächste Bewerbertraining findet am 25. Januar 2024 statt.

Ein Tag pro Woche im Unternehmen

In der benachbarten Integrierten Gesamtschule (IGS) Kandel beginnt die Unterstützung ganz früh. Bereits in der siebten Klasse gehen die Kinder mit einem Elternteil oder Verwandten in dessen Betrieb. Ein Jahr später verbringen sie schon vor Beginn des zweiwöchigen Praktikums einen Tag im späteren Betrieb. Bei den Orientierungstagen für die Neuntklässler erhält die Schule Unterstützung von vielen Betrieben für die Bewerbung. Die Jugendlichen können später über mehrere Monate einen Tag pro Woche in einer Firma oder Behörde verbringen.

Direktorin Melanie Müller erläutert das Konzept dahinter: „Durch diese frühen Entwicklungsschritte wollen wir auch Selbstständigkeit und Eigeninitiative fördern.“ Als besonderen Höhepunkt bezeichnet sie die Seminare von „Mein mutiger Weg“ für die Jahrgangsstufe 11 in der Aula. Das junge Start-up-Unternehmen gehöre zu den Marktführern bei der Vermittlung von Berufsorientierung.

Einblicke in Verwaltung und Pflege

Schulleiter Jörg Engel von der IGS Wörth arbeitet ganz eng mit der Stadt Wörth zusammen. Er nennt Beispiele für eine breite Palette an Berufen, die man in der Verwaltung erlernen kann: Fachangestellte für Bäderbetriebe, Schlosser, Installateure, Verwaltungsberufe. „Wir konnten schon vielen Schülern heimatnah den Weg zu Praktikum oder Ausbildung ebnen“, so Engel. Als weiteren wichtigen Ansprechpartner nennt er die „Diakonissen Speyer“, die auch das Seniorenzentrum Pfarrer-Johannes-Schiller-Haus in der Stadt betreiben. Denn auch in der Pflege werden Fachkräfte händeringend gesucht.

x