Kreis Germersheim „Ihr sollt immer nach Hause kommen“

Ein Unfallwagen zeigt drastisch, wie eine Fahrt enden kann.
Ein Unfallwagen zeigt drastisch, wie eine Fahrt enden kann.

„Es gibt zu viele Tote und Schwerverletzte junge Menschen da draußen“, richtet Polizeihauptkommissar Uwe Becker das Wort an die 11. und 12. Klassen der Integrierten Gesamtschule Kandel, die sich für den „Crashkurs“ am Dienstag in der Bienwaldhalle versammelt haben. „Das ist hart, schonungslos, es ist aber die Realität auf unseren Straßen“, erklärt er die Veranstaltung.

„Wer hat von euch schon den Führerschein?“ Zahlreiche Hände strecken sich. Nachfolgend werden Videoaufnahmen gezeigt, von Unfallorten junger verunglückter Fahrer. Vor jedem Clip erklärt ein Standbild in wenigen Sätzen, wer die Verunglückten waren und was die Unfallursache war. Dann kommt der Crashkurs zur Schilderung eines Unfalles im Landkreis. Den Anfang machen die Polizeioberkommissare Andreas Sodan und Mario Roth, die den Unfall in der Polizeidienststelle Wörth aufnahmen und als erste vor Ort waren. „Der Notruf erreichte uns um 3 Uhr 13, schildert Roth. „Die Unfallstelle war zunächst nicht lokalisierbar, bis sich uns ein unglaubliches Trümmerfeld offenbarte.“ Roth erinnert sich an zersplitterte Scheiben, zerborstenes Metall und die Schreie, die in der Dunkelheit zu hören waren. In den zerstörten Wagen herrschte Stille. Roth schildert, wie er die beiden Toten vorfand. Und er betont, ein solcher Unfall geschehe nicht, er werde verursacht. Der verstorbene Fahrer, hatte einen Alkoholgehalt von 1,78 Promille und bei zu hoher Geschwindigkeit das Lenkrad verrissen. „Die häufigste Unfallursache“, erklärt er. Roth schaut eindringlich in die Gesichter der Schüler: „Trinkt keinen Alkohol oder andere berauschende Mittel, schaut nicht während der Fahrt auf euer Handy und überlegt, zu wem ihr ins Auto steigt“, mahnt er seine Zuhörer. Als nächstes schildert Daniel Metzger, Wehrführer bei der Freiwilligen Feuerwehr Jockgrim, den Unfallabend, den er nie mehr vergessen wird. Auch ihm bietet sich ein Schreckensszenario. Für die Befreiung der Toten muss Verstärkung angefordert werden. „Wir sind keine Maschinen, so etwas können nur die erfahrensten unter uns machen.“ Die Feuerwehr schneidet die Toten aus den Wracks. „Ein Ausnahmezustand für die Seele“, erklärt der Wehrführer, sichtlich berührt. Notarzt Dr. Thomas Bleck berichtet wie er feststellen musste, dass es zwei Tote gab, wie er während der Fahrt ins Krankenhaus einem Überlebenden bestätigen musste, dass sein Freund verstorben war. „Nie zuvor und nie wieder seitdem habe ich ein solches Schlachtfeld gesehen.“ Es ist still in der Bienwaldhalle. Schließlich tritt Heiner Butz an das Rednerpult. Er ist verantwortlich für die Krisenintervention und er war es, der die Toten besichtigen und den Eltern die Nachricht überbringen musste. „Man muss den Eltern sagen können, was sie beim Anblick ihrer Kinder erwartet“, erklärt Butz. Hier stellte sich heraus, dass die beiden 19-Jährigen gute Freunde waren, die Eltern kannten sich. Die jungen Männer hatten den Abend miteinander verbracht, der eine den anderen heimgefahren. Er wollte zurück zur Party, überschätzte sich und rammte frontal ausgerechnet das Auto seines Freundes, der weitere Gäste nach Hause fuhr. 113 Menschen seien bei einem Todesfall im Durchschnitt betroffen, erklärte Uwe Becker zu Beginn. Butz zeigt Bilder des Unfalls, zwei mit blauem Plastik abgedeckte Körper am Straßenrand. „Ich will, dass ihr immer nach Hause kommt“, gibt er den Schülern mit auf den Weg. Die eindringliche Veranstaltung ist nichts für schwache Nerven und wird von Fachkräften betreut. So erhofft man sich, dass die Schüler möglichst viel zum Nachdenken mitnehmen. „Ich habe das erste Mal bei einer solchen Veranstaltung etwas fürs Leben mitgenommen“, sagt Felix, 11 c aus Landau. Daniel, 11. Klasse, findet das Format eindrucksvoll. „Es kann auch etwas passieren, ohne dass man selbst einen Fehler gemacht hat.“ Eine Schülerin wird vorsichtiger fahren, wenn sie ihren Führerschein hat, einfach „weil man die Ausmaße gesehen hat, die ein kleiner Fehler haben kann“. Jonas, 11. Klasse, ist emotional mitgenommen. „Das war abschreckend, man muss vorsichtig sein.“ Sophia stimmt ihm zu. Die Kreuze der beiden Verunglückten an der Landstraße kennen beide, sie werden sie weiterhin daran erinnern.

Bei den Schilderungen der Einsatzkräfte herrscht Stille in der Halle.
Bei den Schilderungen der Einsatzkräfte herrscht Stille in der Halle.
x