Kreis Germersheim Extremer Kiffer oder echte Gefahr?

«»Wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Beleidigung und Bedrohung sowie gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilte das Schöffengericht am Donnerstag einen 39-Jährigen aus dem südlichen Landkreis Germersheim zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von anderthalb Jahren.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er ein Propaganda-Video der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in das soziale Netzwerk Facebook gestellt hat. Auf dem Video sind das Symbol des IS, sowie brutale Folterungen und Morde zu sehen. Weiter wurde der Angeklagte bestraft, weil er Nachbarn beleidigt, verletzt und bedroht hat. Polizisten und eine Polizeiaktion verunglimpfte der Angeklagte durch Hass-Posts in Facebook. Der türkisch-stämmige Mann ist einschlägig vorbestraft und hat die meisten Taten gestanden. Das Gericht berücksichtigte, dass er es im Leben bisher nicht leicht hatte. Der größte Brocken sind über 150.000 Euro Schulden aus einer Bürgschaft für seinen Vater. Der 39-Jährige hat mehrere Ausbildungen absolviert und in verschiedenen Jobs gearbeitet. Ohne anhaltenden Erfolg. Inzwischen lebt er mit Frau und zwei kleinen Kindern in einer Obdachlosenunterkunft. Eine feste Arbeit und eine gute Wohnung will er haben, doch bisher hat das noch nicht geklappt. Er ist Moslem, ähnelt mit Bart, schwarzen Militärhosen und Stiefeln dem Bild von IS-Kämpfern. Seine Frau ist zum Islam übergetreten, trägt den Niquab. Der Vorsitzende Richter Jörg Bork stellte in der Urteilsbegründung klar, dass „wir nicht hier sitzen, weil sie Moslem sind“. Aber jeden Tag würden in Europa Anschläge von Menschen verübt, die solche Ansichten haben. „Die Leute haben Angst“, verwies der Richter auf Gewaltvideos und das äußere Erscheinungsbild. Das Problem des Prozesses war die Frage, ob von dem Angeklagten eine Terrorgefahr ausgehen könnte. Oberstaatsanwalt Thomas Spielbauer hatte schon zu Beginn gesagt „wenn sie arabisch verstünden, würde der Generalstaatsanwalt die Ermittlungen führen und sie wären in Haft.“ Er habe keinen Kontakt zum IS versicherte der 39-Jährige dem forensischen Gutachter Dr. Andreas Weisert. Das Gutachten war kurzfristig angeordnet worden. Im Gespräch mit dem Forensiker habe der Angeklagte aber Sympathien geäußert, weil der Islam sehr nachteilig dargestellt würde und auch die Gegner des Islam schreckliche Taten verübten. Vom Gutachter wurde der Angeklagte zitiert, er finde es weniger schlimm, wenn der IS den Leuten den Kopf abschneide als wenn die Amerikaner in Guantanamo die Leute zwangsernährten. Die IS-Videos hatte ein Islam-Experte bewertet. Darin wurde für die Ausreise ins IS-Gebiet geworben um „eine höhere Stufe bei Gott“ zu erreichen. Gesprächsangebote eines Sonderermittlers der Kripo nahm der Angeklagte bisher nicht an. In der Hauptverhandlung betonte der 39-Jährige immer wieder, dass er für seine Familie sorgen und ein geordnetes Leben führen wolle. Doch meinte er das wirklich? Die Frage stellte sich das Gericht auch unter dem Eindruck aktueller Ereignisse. Für jeden Verhandlungstag war erhöhte Sicherheitsstufe im Amtsgericht angeordnet. Polizei sicherte den Saal ab. Ins Gehirn schauen konnte dem Angeklagten auch ein erfahrener Forensiker nicht. Er fand aber keine Anhaltspunkte für psychische Störungen oder einen religiösen Wahn. Bei dem Gutachter gab der Angeklagte erstmals zu, dass er täglich Cannabis konsumiere. Kiffen sei sein Hobby, sein Ausgleich für täglichen Stress, lehnte er es kategorisch ab, sich einer Therapie zu stellen. Strafbar oder nicht, er bestimme selbst über seinen Drogenkonsum. „Wenn 95 Prozent der Gesetze eingehalten werden und fünf Prozent nicht, kann man keine positive Sozialprognose stellen“, sah hier der Staatsanwalt keine Chance mehr für eine Bewährungsstrafe. Dem schloss sich das Gericht an. Aber die Richter rechneten es dem Angeklagten hoch an, dass er sich im Lauf des Verfahrens „offen und zugänglich“ gezeigt habe. Drogen und Auseinandersetzung mit dem Islam nannte der Vorsitzende Richter zwei „Baustellen“ für den Angeklagten. Wenn er gegen das Urteil Berufung einlege und vorweisen könne, wie er an diesen „Baustellen“ ernsthaft arbeite, könnte ihm das Gefängnis vielleicht erspart bleiben.

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