Kreis Bad Duerkheim Auf eigenen Füßen stehen

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Ein Flüchtling, der arbeiten möchte, und ein Handwerksbetrieb, der gerne jemanden einstellen würde: Bis beide zusammenfinden, geht normalerweise ganz schön viel Zeit ins Land. Zuerst muss der Status des Flüchtlings geklärt werden. Dann folgt der Besuch eines Integrationskurses mit Deutschunterricht, gefolgt von einer Qualifikationsanalyse und Erfassung bei der Agentur für Arbeit. Viele Stationen, die geflüchtete Menschen durchlaufen, während sie in einer Sammelunterkunft leben. „Eine berufliche Integration von Flüchtlingen in den Beruf oder die Ausbildung erwarte ich frühestens ab Sommer 2016“, sagt Michael Böffel, Ausbildungsleiter der Industrie- und Handelskammer (IHK) für die Pfalz. „Noch sind von offizieller Seite keine Flüchtlinge in pfälzische Betriebe vermittelt.“ In Einzelfällen kann es aber auch anders laufen. Wenn Flüchtlinge jetzt schon Kontakt zu Betrieben aufgenommen haben, dann oft, weil ehrenamtliche Helfer sie konkret unterstützen. Cornelius Kürten ist so jemand. Er unterstützt 45 Flüchtlinge, die im Alten Bahnhof in Oggersheim leben. „Herr Kürten machte uns in einer formlosen E-Mail auf Zaman Amiri aufmerksam“, erinnert sich Stefan Egelhof, Inhaber der Firma Schwerdtfeger, einem Sanitätshaus und Spezialisten für Orthopädie-Schuhtechnik mit rund 40 Mitarbeitern. Schon lange sei er auf der Suche nach einem orthopädischen Schuhmacher gewesen, sagt Egelhof. Die Firma mit Stammhaus in Kaiserslautern und Filialen in Ludwigshafen, Grünstadt und Landstuhl habe bereits gute Erfahrung mit der Integration eines gehörlosen russischen Aussiedlers gemacht und sei deshalb offen für ein Kennenlernen von Zaman Amiri gewesen. Der hatte nach eigenen Angaben als Schuhmacher gearbeitet – auch wenn er das nicht durch Zeugnisse dokumentieren konnte. Sechs Wochen lang stellte der junge Afghane in Kaiserslautern unentgeltlich sein Können unter Beweis, um dann einen unbefristeten Arbeitsvertrag bei der Firma Schwerdtfeger zu bekommen. Damit konnte Zaman Amiri die Arbeitserlaubnis bis 2018 erwirken. Seine Aufenthaltserlaubnis muss alle drei Monate erneuert werden. Und bis zum Ende der sechsmonatigen Probezeit seines Vertrags muss er in der Sammelunterkunft in Ludwigshafen wohnen bleiben. „Herr Amiri ist ein netter junger Mann, der fleißig deutsch lernt, sofort auf der Matte steht, wenn es etwas zu tun gibt, und sich mit den Kollegen gut versteht“, beschreibt ihn sein Chef. Ob er anderen Betrieben die Einstellung von Flüchtlingen empfehlen kann? „Aber nur!“, antwortet Stefan Egelhof prompt. „Häufig sind mangelnde Deutschkenntnisse das Problem. Viele Jobs und Praktika wären möglich, wenn zumindest die Sicherheitsanweisungen verstanden würden“, beschreibt Kürten die Schwierigkeit bei der Zusammenführung von arbeitswilligen Flüchtlingen und Betrieben. Flüchtlingen helfen können Menschen laut Kürten auf unterschiedliche Weise: „Gefragt sind unterschiedliche Talente. Leute, die Deutsch unterrichten, genauso wie Leute, die zu ihrem Installateur oder Elektriker gehen und fragen, ob er nicht einen Praktikanten oder Azubi nehmen will.“ Auch die Bäckerei Görtz kam über einen ehrenamtlichen Vermittler an einen neuen Bäckerlehrling. Der in Rheingönheim ansässige Betrieb mit etwa 1300 Mitarbeitern hat nach eigenen Angaben schon länger Mühe, Ausbildungsplätze zu besetzen. Das liege vor allem an den besonderen Arbeitszeiten des Backhandwerks nachts und in den frühen Morgenstunden. „Wir könnten jährlich vier bis fünf Bäcker ausbilden. In diesem Jahr konnten wir aber nur zwei Ausbildungsstellen besetzen“, sagt Tim Büsch, der Assistent der Geschäftsleitung. Alex Rossbach, der Flüchtlinge ehrenamtlich als Lauftrainer fördert, wusste von dieser Situation und stellte den Kontakt zwischen einem seiner Schützlinge und der Großbäckerei her. Görtz bot Armand Softi einen Ausbildungsplatz mit vorgeschalteter Einstiegsqualifizierung an, nachdem ein Praktikum bei einem andern Bäcker nicht zustande gekommen war. „Er ist interessiert und engagiert und wird sicher gute Arbeit leisten“, sagt Tim Büsch. Der Betrieb erwarte von einem Flüchtling das Gleiche wie von einem deutschen Bewerber. Jetzt warten der Betrieb und der zukünftige Bäcker auf die Zustimmung der Agentur für Arbeit und den Abschluss seiner Deutschkurse. „Im Handwerk erklären sich viele Handgriffe durch Nachahmung, und berufliche Kontakte können bei der Eingliederung auch helfen“, erklärt Büsch die Bereitschaft des Betriebs, anfängliche Sprachschwierigkeiten mitzutragen. Allerdings weist er auch darauf hin, dass die duale Ausbildung als Bäcker auch den Besuch der Berufsschule beinhaltet. Dieser Teil der Ausbildung setze gute Deutschkenntnisse voraus. Wenn alles gut geht, kann Softi zum 1. August seine Ausbildung beginnen und bald seine eigenen Brötchen backen. Noch Fragen? Die Industrie- und Handelskammer für die Pfalz hat eine Broschüre mit dem Titel „Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Beschäftigung – Leitfaden für Unternehmen“ erstellt. Beziehen kann man sie bei der IHK, Ludwigsplatz 2-4, 67059 Ludwigshafen oder im Internet unter www.pfalz.ihk24.de (Rubrik „Welcome Center“).

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