Kaiserslautern Wenn sich der Falke immer höher schraubt

In 26 Jahren hat er 3187 kranke und verletzte Vögel gepflegt: Was Kurt Wilhelm sei Juni 1988 geleistet hat, ist eine tolle Sache. Dafür erhält der Vogelschützer nun Anerkennung vom Land, das ihm heute in Mainz den Tierschutzpreis verleiht.

Zum 20. Mal vergibt das Land den Preis. Dieses Jahr wurde er geteilt, Wilhelm erhält ihn für „langjährigen ehrenamtlichen Einsatz für den Tierschutz“. Seit 26 Jahren betreibe er eine Auffangstation für Wildvögel. Feuerwehr, Polizei und Privatpersonen könnten ihm verletzte und junge Vögel bringen, heißt es in der Würdigung des Landes.

3187 Vögel in 26 Jahren gepflegt – man kann nur annähernd ermessen, welche Arbeit und Mühe dahinterstecken. Tage, an denen es ständig an der Haustür klingelt oder das Telefon läutet, weil Leute einen verletzten Vogel gefunden haben, Tage, an denen sich Wilhelm ins Auto setzen muss, weil die Finder kein Auto haben. Das sei mitunter ganz schön anstrengend, räumt Wilhelm ein, alles sei nur mit Hilfe seiner Familie machbar gewesen. Mittlerweile sind die Kinder aus dem Haus, Wilhelm hat die Pflege fast allein am Hals, wenn auch etwas mehr Zeit, seit er in Rente ist, sich nicht mehr um das Malergeschäft kümmern muss.

Wilhelm ist in der ganzen Stadt bekannt, viele Bürger und natürlich die Tierrettung der Feuerwehr bringen ihm halbverhungerte oder verletzte Vögel. Wie wurde er Vogelretter? Zu seiner Passion kam Wilhelm wie die Jungfrau zum Kind. Anfang der 80er Jahre fand er einen Dompfaff, den er großzog und der mehrere Jahre bei der Familie lebte, sie täglich mit Beethovens fünfter Sinfonie beglückte. Wilhelm kam zum Vogelschutzverein Katzweiler, ein Kollege fragte, ob er nicht Volieren hinter seinem Haus bauen könne, um Vögel aufzunehmen. Wilhelm stimmte zu und übernahm mehr und mehr die Arbeit selbst.

Heute ist das Haus regelrecht von Volieren umbaut. Es gibt eine große, in die meist Greifvögel kommen, eine weniger große für kleine Vögel, und es gibt Kästen mit Mückendraht, in die verletzte Vögel kommen. Etwa nach einem Flügelbruch, wenn sich das Tier nicht bewegen soll. Der Mückendraht bewirkt, dass keine Insekten in offene Wunden gelangen. Auch derzeit sind Gäste in den Käfigen. Ein Mäusebussard, der mit einem Flügelbruch kam. Wilhelm hofft, dass er ihn auswildern kann. Problematischer ist das bei dem Wanderfalken, der schon zweimal freigelassen wurde, aber von der Feuerwehr immer wieder aufgelesen wurde. „Er hat es nicht mehr einprogrammiert, im Flug Beute zu schlagen“, sagt Wilhelm. Das vermag der Turmfalke nebenan, obwohl er nur noch ein Bein hat. Er wird bald freigelassen. „Lieber noch zwei Jahre in Freiheit leben als fünf in Gefangenschaft“, sagt Wilhelm.

Der Vogelschützer hat alle 3187 Patienten, die durch seine Hände gingen, minutiös aufgelistet. Man glaubt es kaum, was da alles kam und ging, besser gesagt flog. 3187 Vögel aus 116 Arten, am meisten vertreten sind die Mauersegler (326) und Amseln (321). Aber auch 133 Turmfalken und 128 Mäusebussarde, Zebrafinken und Kanarienvögel, ein Kormoran und ein Kranich saßen in den Volieren. Wilhelm hat sich alles Wissen selbst angeeignet: „Erfahrung, Literatur, herumfragen“, sagt er.

Bleibt die Frage: Was bedeutet ihm der Preis, den er heute erhält? Es sei eine Anerkennung seiner Arbeit, meint er lapidar. Viel wichtiger ist: „Das Geld reicht für vier Jahre Futter!“ Lohn für all seine Mühen ist etwas ganz anderes: Immer wenn er einen Vogel gesund gepflegt hat und freilässt, kommt der Moment, wo sich entscheidet, ob er wieder fliegen kann. „Wenn sich ein Falke dann höher und höher schraubt, bis ich ihn nicht mehr sehe, dann ist das meine Belohnung“, sagt der Vogelschützer. (dür)

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