Kaiserslautern UMGEHUNG: „Direkter Draht Vergangenheit“

Es waren einmal viele Nachbarskinder, die wohnten in zwei eng aneinander gebauten Häusern. Das eine Haus hieß Enkenbach, das andere Alsenborn. Voneinander getrennt oder miteinander verbunden – wie man es gerade nennen möchte – waren sie durch eine Bahnlinie nebst Bahnübergang, die fast identisch mit der eigentlichen Gemeindegrenze waren. Zwischen diesen Nachbarskindern ging es zu wie überall auf der Welt, wo Menschen leben. Viele mochten sich, andere mochten sich nicht. Manche liebten sich, andere waren nicht gut aufeinander zu sprechen, was sich oft lautstark durch markige Schimpfworte wie „Kuckucke“ oder „Bajasse“ oder gar in der einen oder anderen Kerweschlägerei äußerte. Eines Tages hatte dann eine obere Behörde den famosen Einfall: Wir vereinen die beiden Häuser zu einem Haus, dann wird das Zusammenleben zwischen den Kindern bestimmt noch friedfertiger und einträchtiger. Keiner in den beiden Häusern traute so recht diesem Vorschlag oder glaubte gar an die prognostizierte verbesserte Harmonie und Solidarität im Zusammenleben. Kurz und gut, ob die Kinder dies nun wollten oder nicht, beide Häuser wurden zu einem Doppelhaus vereinigt, welches den Namen Enkenbach-Alsenborn erhielt. Das war 1972. Und tatsächlich, die Rechnung der oberen Behörde ging auf. Im Verlauf der Jahrzehnte gewöhnte man sich immer mehr aneinander: Beide Häuser wuchsen so nach und nach zu einer Gemeinschaft zusammen, in der jeder den anderen mochte und achtete. Die nachbarschaftlichen Streitereien gerieten immer mehr in den Hintergrund und verschwanden letztendlich ganz. Was noch von früher geblieben war, war besagte Nahtstelle Bahnübergang, so dass man sich nie zu sehr auf den Pelz rückte und sich auch einmal in Ruhe zurückziehen konnte. Um die Lebensqualität in diesem Gemeinwesen noch zu verbessern, wurde in jüngster Zeit die Verwirklichung einer Jahrzehnte alten Idee angegangen: den Bau einer Umgehungsstraße zur Verkehrsentlastung um die westliche Doppelhaushälfte. Mit der Planung dieser Umgehung kam dann allerdings der geniale Gedanke auf den Tisch, man könne doch nun den Bahnübergang, diese direkte Verbindung zwischen den beiden ehemaligen Häusern, ein für alle Mal für jeglichen Verkehr ganz schließen und ihn weiter nördlich durch eine Brücke alleinig für Fußgänger und Radfahrer ersetzen. Für Autofahrer ist das Zentrum dann nur noch über die Umgehungen erreichbar. Auf diesem Weg befindet man sich jetzt. Im Ergebnis bedeutet das: Der bisherige direkte Draht zwischen beiden Ortsteilen gehört der Vergangenheit an. Eine direkte Achse innerörtlichen Verkehrs gibt es nicht mehr. Einer guten Kommunikation zwischen beiden Ortsteilen dient diese Lösung nicht. Obwohl, den Bürgern im westlichen Teil wird sie gefallen, bringt sie doch eine verbesserte Wohnqualität mit sich. Ob das die örtliche Geschäftswelt auch so sieht, steht wohl auf einem anderen Blatt. Hoffentlich wird hier nicht angestrebter Fortschritt wieder einmal mehr zum Rückschritt.

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