Kaiserslautern Reminiszenz an die Musik vom Zuckerhut

Die ergebnisoffenen Jazz-Jam-Sessions des „WednesdayNight-JazzClub“ sind im Bistro Storchenturm eine spannende, weil unvorhersehbare und spontane Angelegenheit. Es ist einmal ein zwangloses, experimentierfreudiges Musizieren von Musikern. Trotz WM folgten viele dem Ruf des Lokalmatadors, Starsaxofonisten und Initiators, Helmut Engelhardt, und wurden mit begeisternden Darbietungen belohnt.

So wie beim Jazz die musikalische Interpretation bei Standardtiteln nur aus einem Melodiegerüst mit Harmoniesymbolen besteht und alles andere an Umspielungen, Episoden und Varianten improvisiert wird, hat auch die Jazz-Jam-Session selbst den Charakter der Improvisationen. Da wird „aus dem Bauch“ heraus und aus dem Stegreif spontaner musiziert und im Plauderton moderiert als auf dem Konzertpodium. Davon profitierte in besonderem Maß die Veranstaltung am Mittwoch, die als Hommage an Brasilien nach dem verlorenen Halbfinale des Gastgebers dem „Zuckerhut“ Reverenz erwies und ihm mit Bossa Nova und Samba-Klängen einen ganzen Vortragsblock widmete. Somit entsprach diese gut besuchte Veranstaltung ganz den Vorstellungen einer Underscore-Jam, bei der ein Thema oder Motto vorgegeben wird. Der harmonische Aufbau, melodische Verlauf und durchgängige Rhythmus von sogenannten Standardtiteln wie jene von Jobim („Wave“ oder „Girl from Ipanema“ und „Chega de Saudade“) sind natürlich erfahrenen Musikern wie dem Gitarristen Wolfgang Sing, dem Bassisten Jörg Kirsch sowie dem Schlagzeuger Torsten Requadt bestens bekannt und wurden schon zig Male gespielt. Spielraum besteht dennoch für den Tenor-Saxofonisten Helmut Engelhardt, um etwa in einem Mittelteil nun improvisierte Episoden mit Skalenläufen, rhythmischen Veränderungen wie Akzentverschiebungen und virtuosen Umspielungen einzubringen. Wenn allerdings bei Engelhardt und dem bestens aufeinander eingespielten Trio der Eindruck des rein Experimentellen entsteht, muss der bei dieser spielerischen Klasse sofort korrigiert werden: Bei dem Trio „steht“ exakt der Rhythmus, unerbittlich und absolut synchron zwischen Bass und Schlagzeug, was in dieser hohen Qualität selbst im professionellen Bereich Seltenheitswert hat. Und die Soli bewegen sich souverän im vorgegebenen Schema, ohne dies zu sprengen. Mit seinen Trillern und weiteren Verzierungen lässt Engelhardt die klassische Schule durchschimmern, die er als Klarinettist „genossen“ hat. Dennoch setzte er bei Erfolgstiteln aus anderen Stilbereichen wie die Evergreens von Henry Mancini, Richard Rodgers oder Miles Davies seine große stilistische Bandbreite und Vielseitigkeit zwischen Blues und Bebop ein, kann genauso stilsicher swingen wie im Modern Jazz neue Akzente setzen. Auch der Gitarrist trat mit weiteren Soli in Erscheinung, die beiden Rhythmusspieler nicht stereotyp monoton, sondern finessenreich und lebendig pulsierend. Engelhardt ist nicht nur Organisator dieser Session, wirkt bei vielen überregionalen und auch internationalen Formationen mit. Er studierte am Berklee College of Music in Boston, der Frankfurter Musikwerkstatt und am Münchner Ausbildungszentrum für Saxofon. Danach wirkte er in Salon- und Unterhaltungsorchester, Big Bands oder eigenen Combos mit und war bei Rundfunk- und Fernsehproduktionen sowie Pfalztheater-Aufführungen beteiligt. Seine Stärken sind das spontane „Einsteigen“ in musikalische Zusammenhänge, sein ausgeglichener Ton mit leichter, sicherer Ansprache in allen Lagen und seine spielerische Virtuosität. (rhe)

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