Kaiserslautern Poesie zwischen Plastikschläuchen

Keine drei Meta-Ebenen, keine Pseudo-Aktualität. Regisseur Ronny Jakubaschk erzählt einfach eine Geschichte: Richard Wagners „Meistersinger von Nürnberg“. Die Mainzer Inszenierung punktet mit den Kostümen und einem grandiosen Hans Sachs. Einige Fragen bleiben dennoch offen.

Walther singt die selige Morgentraum-Deutweise, von Blüten, von Duft und Lustverlangen und ziemlich viel Paradies. Eva ist hin und weg. Ganz ehrlich: Das würde heute kaum eine Angebetete hinter dem Ofen hervorlocken. Deshalb stellen Ronny Jakubaschk und Ausstatter Matthias Koch ihre Meister auch in eine Fantasiewelt. Neonrosa und Krankenhausgrün. Hübsch ist was anderes, originell ist es schon. Die Kostüme erinnern an Steampunk: den modisch mutigen Mix aus viktorianischer Eleganz und Science-Fiction. Dazu ein bisschen Manga. Es ist eine zur gleichen Zeit gestrige und utopische Welt. Hirnwäsche mit Hypnosespirale, während die Meister das große Buch mit den Singregeln anbeten. Der Verdienst des Regisseurs: Die Idee einer Gesellschaft mit verrücktem Streben nach undurchdachten Werten zieht Jakubaschk durch fünfeinhalb Stunden Wagner-Elegie – gnadenlos. Außerdem rückt er die Namensgeber der Oper, die Meistersinger, endlich wieder in den Mittelpunkt. Die Jury für angehende Superstars, so würde man wohl heute sagen, singt und spielt grandios trocken, den Zylinder auf dem Kopf, in Anzug und natürlich mit Backenbärten. Hier hat alles seine Ordnung, bis der rote Ritter aus fernem Land (der erinnert in Mainz in vielerlei Hinsicht an Lohengrin) hereinschneit. Alexander Spemann singt diesen Walther von Stolzing kräftig, aber auf Dauer mit zu scharfer, teils enger Stimme. Vida Mikneviciute ist kein kleines, unschuldiges Evchen, sondern gestaltet überzeugend eine manchmal etwas zu selbstbewusste Eva. Stimmlich stark: Heikki Kilpeläinen als Beckmesser. Übertroffen wird er aber noch von einem wunderbaren Derrick Ballard als Hans Sachs. Der übersteht nicht nur scheinbar mühelos Wagners längste und schwierigste Basspartie, sondern singt stets voll aus dem Körper heraus, kann seine Stimme aber auch erzählend wandern lassen, ohne zu pressen. Zudem packt seine Begeisterung im Spiel. Das Orchester unter Hermann Bäumer setzt mit der Ouvertüre einen klanglich großen Akzent im kleinen Saal, schwächelt aber später mit Bläserpatzern. Jakubaschks schlichter Erzählzugriff ist angenehm. An mancher Stelle versucht er dann aber doch, aus seiner erdachten Welt mehr zu machen als Poesie zwischen Rädern und Plastikschläuchen. Warum lässt er Eva inkognito an den Sitzungen der Meistersinger teilnehmen? Warum garniert er Wagners fragwürdige Ansprache an „die heil’ge deutsche Kunst“ mit einem schwebenden rosa Wunderblätter-Baum? Ist das Ironie im Provokanten? Die Antwort bleibt der Regisseur schuldig. Dafür beschließt ein engagiert aufsingender Chor, samt Extrachor, das Riesenwerk. Termine —Nächste Aufführungen: 25. und 31. Mai, 4. und 7. Juni. —Karten unter Telefon 06131/2851222 oder im Internet: www.staatstheater-mainz.com

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