Kaiserslautern Neues Licht für die weit, weit entfernte Galaxie

Die Erwartungen waren übergroß, im Grunde nicht zu erfüllen. Und doch enttäuscht „Star Wars VII – Das Erwachen der Macht“ keineswegs. Denn Regisseur J. J. Abrams setzt ganz auf die alten Tugenden des ersten „Krieg der Sterne“-Films von 1977, auch wenn er dessen Handlung einen Tick zu oft zitiert. Mit drei starken neuen Helden – allen voran die 23-jährige Britin Daisy Ridley als Kämpferin Rey, die gar nicht prinzessinnenhaft wirkt und auch nicht gerettet werden muss – begeistert die 7. Episode der von George Lucas ersonnenen „Weltraumoper“ geradezu.

„Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr ...“ – Moment, falsche Zukunftsvision, so beginnt ja die Konkurrenz, „Star Trek“ oder genauer „Raumschiff Enterprise“, Gene Roddenberrys TV-Serie. Diese ältere Utopie war geprägt von Hoffnung, Leichtigkeit und Humor. Es wird schon alles gut werden, glaubte Roddenberry, nur Mut. Lasst es uns entdecken. Gemeinsam schaffen wir das. Ähnlich optimistisch blickte das deutsche Pendant „Raumpatrouille Orion“ in Galaxien „am Rande der Unendlichkeit“ – mit einer Ost-West-Crew, die flirtend und zankend gemeinsam gesichts- und gestaltlosen Aliens die Stirn bot: „Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. Hier ist ein Märchen von übermorgen: Es gibt keine Nationalstaaten mehr. Es gibt nur noch die Menschheit und ihre Kolonien im Weltraum“, hieß es im Vorspann jeder Folge. Anders dagegen „Star Wars“. George Lucas hat sein Lebenswerk einmal „ein Märchen ohne utopisches Versprechen“ genannt. Der Grundton ist dunkel, selbst im Humor, der eher beißend, spöttisch, trocken wirkte. Abenteurer-Held Han Solo war ein desillusionierter Glücksritter: der Cowboy im Universum, das zwar viele Optionen offenhält, in dem jedoch stets Gefahr droht. Von gewaltverliebten Machthabern vor allem, gegen die sich die tapferen Rebellen rund um den blauäugigen Bauernsohn Luke Skywalker scharten. Eine Erlöserfigur, ein anfangs noch einfältiger Jedermann, der über sich hinaus wachsen muss: Es ist eine sehr amerikanische Geschichte, die sich aber in Gestalt der Jedi-Ritter auch bei altgriechischen wie fernöstlichen Philosophien bedient. Alles ist beseelt, postulierten schon Platon und Laotse. Bei Jedi-Meister Yoda heißt es: Die Macht ist in dir und „ihre Energie umgibt uns, verbindet uns mit allem“. Oberstes Ziel ist es, für Gleichgewicht zu sorgen. Für einen guten Filmmythos braucht es dazu Antagonisten. Und so geht es um Gut gegen Böse, ganz klassisch. Umkehr aber ist möglich, in Guten steckt Böses und umgekehrt – letzteres lotet nun der neue Film aus, der optimistischer als beide Vorgängerreihen ausfällt. Auch in Episode VII kommt es zuvorderst auf die Charakterstärke an, um den Verführungen der Macht zu widerstehen, sie nicht zu missbrauchen und sich nicht korrumpieren zu lassen. Eine Warnung an die große Politik war die Ursprungstrilogie (der Imperator war an Richard Nixon orientiert), die aber auch Identifikationsmomente für ganz „normale“ Zuschauer bot. Schlicht um alles geht es schließlich, um Lebenswege, Entscheidungen, Freundschaften, Vertrauen, den Kampf für die eigenen Werte. Und natürlich um Raumschiffe, Masken, Lichtschwerter: Für kleine Jungs – und so manches Mädchen – war „Star Wars“ vor allem ein cooles Abenteuer. Aber auch große Spielkinder mögen sich auf ferne Eis- oder Sandplaneten gewünscht haben, hinein ins Getümmel zwischen seltsame Maschinen und fremde Wesen, gar zu gesichtslosen Stormtrooper-Armeen in wenig unschuldigem Weiß, angeführt vom besten Kinoschurken aller Zeiten: dem schwer atmenden, schwarz behelmten Phantom namens Darth Vader, das die Fantasie so sehr beflügelte, dass es selbst die „Enttarnung“ als Lukes Vater und „gefallener“ Jedi-Ritter Anakin überstand. „Das Erwachen der Macht“ hat anders als das – mit flacher Handlung, schlechtem Schauspiel und nervigen Computerwesen wie Jar Jar Binks – eher missglückte Prequel der Trilogie (1999 - 2005) das Potenzial, ebenfalls das Heranwachsen einer neuen Fan-Generation nachhaltig zu prägen. Die Ausstattung ist liebevoll und greift trotz 3D schön den alten Look auf, die Geschichte ist stimmig, spannend und mit treffenden One-Linern unterfüttert, neue und alte Charaktere sind glaubwürdig. J. J. Abrams aber konnte es auch nur besser machen, schließlich hat er bereits das US-Fernsehen mit Serien wie „Alias“ und „Lost“ revolutioniert und 2009 die Trekkies mit einer Enterprise-Neuerfindung beglückt. Der 49-Jährige ist neben Peter Jackson der wohl größte Kinomagier unserer Zeit. Und der US-Amerikaner ist kein Pessimist. So gelingen ihm nun vor allem drei stark gezeichnete und exzellent gespielte neue Heldenfiguren, an deren Seite ein knuffiger neuer Kullerdroide namens BB8 agiert, der R2D2 fast in den Schatten stellt. Next Generation eben. Auch das Ursprungstrio Han Solo, Leia Organa und Luke Skywalker taucht auf. Die neuen Bösewichter liegen ihm weniger am Herzen, hier leidet auch die Schauspielkunst ein wenig. Wie der gute alte „Krieg der Sterne“ von 1977 beginnt alles auf einem Wüstenplaneten: Jakku erinnert an Luke Skywalkers Heimat Tatooine. Hier führt Rey (entschlossen: die bislang unbekannte Daisy Ridley) ein einsames entbehrungsreiches Leben als Schrottsammlerin. Bald aber landet sie in einem großen Abenteuer und wächst – wie einst Skywalker – über sich hinaus. Eine exzellente Pilotin, Mechanikerin und Kämpferin ist sie ohnehin. Doch es fließt auch die Macht in ihr, lernt sie an der Seite von Finn (John Boyega), einem desertierten Stormtroooper, der nicht mehr töten möchte und sie retten will. Doch Rey kann gut auf sich selbst aufpassen. „Halte ja nicht meine Hand“, zischt sie ihn bei der ersten Flucht an. Später nimmt eher sie ihn an die Hand, bis der naive Ex-Soldat ebenfalls seine Rolle als Helfer der nun Resistance genannten Front für das Gute annimmt. Ein friedliebender, dunkelhäutiger Deserteur und eine resolute junge Frau, die nie sexualisiert wird, als neue Identifikationsfiguren: Das ist eine starke Botschaft. Die erste Drehbuchidee stammt denn auch von Michael Arndt, der mit „Little Miss Sunshine“ seinen Durchbruch feierte und den zweiten „Tribute von Panem“-Film schrieb: Mit selbstbestimmten Frauenfiguren kennt er sich also aus. Aber auch der alte „Star Wars“-Autor Lawrence Kasdan und Abrams selbst feilten an der Geschichte, die fast genug Stoff für mehrere Filme geboten hätte. 30 Jahre nach „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ ist Darth Vader zwar immer noch tot, das Gleichgewicht aber wieder gestört. „First Order“ heißt die nun ganz deutlich faschistoid-totalitär gezeichnete Nachfolgebande des Imperiums. Eine neue Superwaffe ist entstanden, dutzendfach größer als der einstige Todesstern. Die „Starkiller“-Basis führt General Hux (Domhnall Gleeson) an, eine Hitler-Figur mit rotem Haar und entschlossenem Mund, die bald den Untergang der Republik ausruft – vor einem Aufmarsch von Abertausenden Stormtroopern in eisiger schwarz-rot-weißer NSDAP-Parteitagsszenerie. Auch „The Wall“ lässt grüßen. Die Resistance-Armee, die wieder zum Kampf David gegen Goliath ansetzt, befehligt die zur Generalin aufgestiegene Leia Organa (Carrie Fisher). Ihr bester Pilot Poe Dameron (überaus charmant: Oscar Isaac) ist die dritte neue Heldenfigur ist: ein unerschrockener, zu Scherzen aufgelegter Lebenskünstler, der Han Solo der Gegenwart. Aber auch Harrison Ford überzeugt als gealterter Schmuggler, der mit Co-Pilot Chewbacca (Peter Mayhew) gar auf sein altes Raumschiff – und erneut Schuldeneintreiber – trifft. Luke Skywalker aber ist verschwunden, nachdem sich einer seiner Schüler der dunklen Seite der Macht angeschlossen hat. Sein Neffe noch dazu, der Sohn von Leia und Han Solo: Kylo Ren (Adam Driver, der trotz seiner 32 Jahre zu jung und etwas überfordert wirkt) trägt eine ähnliche Maske wie sein Vorbild Darth Vader, auch wenn er keinerlei Atemprobleme hat. Auf böse gepolt hat ihn der „Supreme Leader“ Snoke (Andy Serkis), ein riesenhaftes Wesen, das nur als Hologramm auftritt – und leider zu sehr an Voldemort aus dem „Harry Potter“-Kosmos erinnert. Hinwegsehen muss der Zuschauer auch über Motiv-Anleihen bei „Herr der Ringe“: So ruft Lukes Lichtschwert die erstaunte Rey fast so düster zu sich wie der verhängnisvolle Ring einst Frodo. Mit Schwert, reichlich Mut und Abenteuergeist gilt es als dann, Luke Skywalker aufzuspüren und den neuen „Starkiller“ zu zerstören – was in etwa so funktioniert wie anno 1977. Wobei der bei J. J. Abrams stets präsente Licht- und Schatten-Symbolik eine ganz besondere Bedeutung zukommt: Die „First Order“-Schurken zapfen die Energie der Sonne an, um ganze Planetensysteme zu zerstören und die Welt in Finsternis zu stürzen. Andererseits aber hadert der eher verängstigt wirkende Kylo Ren damit, dass er doch noch Licht in sich verspürt: Es ist zu ahnen, dass die nächsten Filme von einem Wandel von Böse zu Gut erzählen. Und das ist gerade in heutiger Zeit durchaus der richtige Weg für den größten Kinomythos aller Zeiten. Nils’ Kinderlexikon

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