Kaiserslautern Im Zaubergarten des Gesangs

In den Zaubergarten des Gesangs führte am Sonntag der Countertenor Rodrigo Sosa Dal Pozzo in der Otterberger Abteikirche mit seinem Programm, das unter dem Titel „Musik von Liebe und Tod“ stand und Musik von der Renaissance bis zur Gegenwart präsentierte. Mit dabei waren Florian Jurzitza, Harfe und Orgel, sowie Sebastian Galwas, Violine.

Der alte Traum vom Fliegen. Hoch, höher, schwerelos. Abgehoben von allem Weltlichen, seinsvergessend und alles Körperliche abstreifend. Vielleicht findet sich ein wenig von dieser ewigen Sehnsucht der Menschen nach dem Absoluten, Vogelgleichen, Entmaterialisierten jenseits des irdischen Jammertals in einem der merkwürdigsten, so grausamen wie faszinierenden Kunstflüge der klassischen Musik des Abendlandes: dem Engelsgesang der Kastraten, die knapp zwei Jahrhunderte lang, von etwa 1650 bis 1830, die Opernbühne Europas als gefeierte Stars regierten. Die Triumphe und das Leiden der Kastraten sind längst Vergangenheit, und doch liegen Countertenöre wie Farinelli, Alfred Deller oder Andreas Scholl wieder im Trend. Vorbei die Zeiten, als man als Mann mit scheinbarer Frauenstimme seine Männlichkeit mit einem Bart betonen musste oder im Programm vermerken ließ, dass man verheiratet sei und Kinder habe. Heutzutage finden sich immer mehr junge Sänger, die keinerlei stilistische Scheuklappen besitzen und die unverhohlen mit der Sinnlichkeit ihrer höchst individuellen Stimmen prunken. Einer dieser Sänger präsentierte sich in der Abteikirche mit einer wunderbar gepflegten Alt/Mezzo- als auch Haute-Contre-Stimme. Die Textartikulation des Venezuelaners Rodrigo Sosa Dal Pozzo, der in Graz und in Stockholm studiert hat und mit 20 Jahren bereits Mitglied des Schwedischen Radiochors wurde, war vorbildlich und seine Phrasierung einnehmend plastisch. Sein Programm setzte bewusst alte Meister wie Michel Lambert („Ombre de mon amant“) und zeitgenössische Komponisten wie Gustav Mahler (Phantasie aus „Don Juan“ von Tirso de Molina) und Manuel de Falla („Nana“ aus „7 Canciones populares Espanolas“) gegeneinander. Von seiner makellos reinen, lyrischen Stimme und der wunderbaren Mischung aus raffiniert ausgekosteten Stimmungen zwischen Traurigem und Schwärmerischem ging echte Faszination aus. Er schwang sich aus dem Pianissimo heraus – wie in Claudio Monteverdis „Ego flos campi“ und Francis Poulencs „A sa Guitar“ – in höchste Lagen empor und sang dabei hauchzart. Mit gebundenem Legatogesang begeisterte er in „Corpus Cristi Carol“ (aus „A Boy was born“, op.3) von Benjamin Britten und „Hands, Eyes and Heart“ von Ralph Vaughan Williams, wobei seine Stimme im Ausklang schier im Nichts verhauchte. Und selbst nach über einer Stunde klang seine Stimme im letzten Lied, „Morgen“ (aus „Vier Lieder“, op. 27) von Richard Strauß so fein und engelsgleich wie am Anfang. Ebenso zart wie der Flügel eines Schmetterlings und dynamisch fein begleitete der preigekrönte Florian Jurzitza, wohnhaft in Heiligenmoschel, an der Harfe und bewies eine enorme manuelle Sicherheit. Der erst 15-jährige Sebastian Galwas aus Schallodenbach begeisterte bei der Sinfonia D-Dur (Wq. 74) von Carl Philipp Emanuel Bach und der Romanze in F-Dur von Beethoven mit transparentem, vielfarbigem und in sich schlüssigem Spiel, mit dynamischen Kontrasten bei Bach und klangschönem Spiel bei Beethoven, dessen meditative Phasen er voll auskostete. Mit Jurzitza an der Orgel harmonierte er prächtig. Jurzitza phrasierte emotional aufgeladen, in Agogik und Dynamik immer kontrolliert Louis Viernes „Communion“ (op. 8) an der Orgel. Langanhaltender Beifall war der verdiente Lohn für alle Beteiligten. Eine Zugabe.

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