Kaiserslautern Ein weites Feld für Kontraste

Mit einer programmdramaturgisch interessanten Konzeption wartete gestern im SWR-Studio das Konzert der Reihe „À la Carte“ auf. Die reizvolle Gegenüberstellung von Andrzej Panufniks „Lullaby“ und Edward Elgars zweisätziger Komposition und Kombination zweier Klangkörper (Streichquartett und Streichorchester) eröffnete ein weites Feld für kontrastreiche Darstellung.

Der 1914 geborene polnische Komponist Panufnik wob in seinem Schlaf- oder Wiegenlied mit 29 Streichern und zwei Harfen einen sehr transparenten Klangteppich, bei dem die beiden Harfen für einen durchgehenden rhythmisch-harmonischen Pulsschlag sorgen, der etwas an das Cembalo im barocken Basso continuo erinnert. Thematisch wird in einer Fünftonreihe ein polnisches Lied im Volkston durchgeführt und zwar nacheinander von oben nach unten in der Partitur: von den Violinen schließlich bis zum Cello, verstärkt durch den Kontrabass. Dieses klangliche „Netzwerk“ konnte der britische Gastdirigent Michael Francis sehr transparent und geschmeidig weben. Dabei waren diese klanglichen und thematischen Entwicklungen auch filigran und gestochen klar erkennbar und erklangen im pastosen Klangzauber von Rokoko-Spieluhren, aber im Idiom einer expressionistischen Harmonik, die sogar bei den Streichern mit Vierteltönen arbeitet. Nach diesem subtilen Klangzauber assoziierte allein schon der Komponistenname Edward Elgar durch dessen Konzertmärsche „Pomp and Circumstances“ monumentale und heroisch auftrumpfende Anklänge, die vom legendären Glanz des britischen Empire künden. Auch das 1905 komponierte Werk Introduktion und Allegro für zwei Klangkörper wie Streichquartett und Streichorchester hat analog barocke Reminiszenzen, mit einem Fugato etwa oder wenn, wie beim barocken Concerto grosso, zwei Klangkörper im konzertierenden Wettstreit liegen. Mit auftrumpfender Attitüde, breit angelegten Streicherepisoden in emphatischen Melos und in akkurater Koordination der Abläufe agierten die Ausführenden souverän und sehr engagiert. Sie bewiesen gestalterische Intensität und klangliche Expressivität. Was hier seine Berechtigung hatte und ausgelebt wurde, darf dann bei Sergej Prokofjews zweitem Violinkonzert in g-moll hinterfragt werden. Zunächst entspricht die agogisch recht freie und nicht immer im Zusammenspiel schlaggenaue Darstellung mit ihrer kapriziösen und unkonventionellen Les- und Spielart noch durchaus dem Charakter eines „Stürmers und Drängers“. Prokofjew ging mit gewagten Dissonanzen, martialischen Rhythmen und provokanten Neuerungen auf Konfrontationskurs mit den Kompositionsregeln am St. Petersburger Konservatorium. Ob dieses Kompositionsprinzip einer gewissen Freiheit aber auch analog auf freizügige Interpretation mit eigener Auslegung zu übertragen ist, darf diskutiert werden: Der Orchesterpart hat hier zwar – ähnlich wie beim Cellokonzert von Dvorak – sinfonisches Gewicht, ist phasenweise gleichberechtigt. Dennoch sollte er durchsichtiger erklingen, bei den solistischen Episoden von Valeriy Sokolov dynamisch zurückgenommen werden. Beispiele sind die zu harten und schrillen Töne der Soloklarinette im zweiten Satz und Begleitfiguren der Streicher (auch Pizzicati der Kontrabässe) im Kopfsatz, die Sokolovs Part beeinträchtigten. Am überzeugendsten gelang der furiose Finalsatz, bei dem dieser rustikale Interpretationsansatz berechtigt war. Ungeachtet dieser kleinen Einschränkung, den Orchesterpart betreffend, spielte der aus der Ukraine stammende Nachwuchsgeiger im ganz großen Stil auf: Resolut und mit packendem virtuosem Zugriff in den Ecksätzen und mit schier endloser Kantilene im schwelgerisch ausgekosteten und zelebrierten Andante. Er behauptete sich mit dem strahlenden und brillanten Geigenton mühelos gegen das Orchester und überzeugte restlos.

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