Kaiserslautern Ein junger Obdachloser erzählt von seiner Zeit auf der Straße

Dank des Förderzentrums Sankt Christophorus hat der junge Mann wieder eine Perspektive. Aus Scham will er jedoch nicht erkannt w
Dank des Förderzentrums Sankt Christophorus hat der junge Mann wieder eine Perspektive. Aus Scham will er jedoch nicht erkannt werden.

Julian Bauer ist 19 Jahre alt. In einem Alter, in dem andere Jugendliche gerade ihr Abitur machen oder ihre Ausbildung abschließen, beginnt für Bauer ein neues Leben auf der Straße. Dank der Unterstützung des Caritas-Förderzentrums St. Christophorus hat der Obdachlose rechtzeitig vorm Winter ein Dach überm Kopf. Kurze Zeit später einen Job und wieder eine Perspektive.

Noch vor wenigen Monaten lebte Bauer in einem kleinen Dorf etwa eine Stunde von Stuttgart entfernt. Seine Ausbildung als Metallbauer lief gut, doch in der Berufsschule gab es Probleme. „Das ging auf die Psyche“, erzählt er. Im zweiten Lehrjahr hat er die Ausbildung abgebrochen. Auch zu Hause gab es Konflikte. „Ich hab’ das einfach nicht mehr ausgehalten“, erinnert sich Bauer an den Moment, in dem er das Elternhaus verließ. Freunde, bei denen er hätte unterkommen können, gab es keine.

Eine Flucht ohne Ziel

Drei Nächte lebte Julian Bauer zunächst in den U-Bahnhöfen Stuttgarts – ohne Schlafsack oder Decke. Es habe ein rauer Umgangston geherrscht – auch mit der Polizei. „In Stuttgart gibt es eine große Drogenszene“, erzählt er, „das war nichts für mich.“ Ein weiteres Mal ergriff Bauer die Flucht. „Ich bin mit sechs Euro in den Zug eingestiegen, ohne ein genaues Ziel“, erzählt der 19-Jährige. Dass er in Kaiserslautern ausstieg, sei wohl Schicksal gewesen. „Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich hier sein möchte. Keine Ahnung woher das kam.“ Etwas mehr als eine Woche lebte er in Kaiserslautern auf der Straße. Gezählt habe er die Tage nicht wirklich. „Man schaut eigentlich nur, dass die Nacht irgendwie rum geht“, erklärt Bauer. Jeden Abend ging die Suche nach einem geeigneten Quartier aufs Neue los. Die Angst war sein steter Begleiter in der Nacht, sodass an Schlaf oft nicht zu denken war. „Man nickt kurz ein, dann knackt ein Ast und man erschrickt.“ Für Notfälle trug er ein stumpfes Messer bei sich, gebrauchen musste er es nie.

Angst vor dem Winter

Wenn es ein Wort gibt, das Bauers Erfahrung auf der Straße am besten beschreibt, dann ist es wohl „wenig“. Wenig sozialer Kontakt, wenig Schlaf, wenig Geld und wenig Essen. Die sechs Euro waren schnell aufgebraucht. Um etwas essen zu können musste Bauer nun Passanten um Geld bitten. „Ich habe mir Geschichten überlegt, um nicht zugeben zu müssen, dass ich auf der Straße lebe.“ Der 19-Jährige lebte von etwa zwei Euro pro Tag. Von dem wenigen Geld, das er zur Verfügung hatte, kaufte er in der Drogerie ein Duschspray – schließlich sollte niemand merken, dass er keine Wohnung hat. Die Zeit auf der Straße brachte Bauer an seinen Tiefpunkt, und der Winter rückte mit jeder Nacht näher. „Die Kälte war unerträglich. Lange hätte ich das nicht mehr ausgehalten“, gibt Bauer zu. Hilfe bekam er schließlich von – für ihn – unerwarteter Seite: Ein Polizist sprach ihn an und fragte nach seinem Ausweis. Bauer, der bisher nur schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht hatte, zögerte zunächst. Doch im Gespräch gab er schließlich zu, obdachlos zu sein. „Der Polizist hat mir empfohlen, zur Caritas zu gehen“, erinnert er sich. Von der Einrichtung hatte Bauer zuvor noch nie gehört.

Aus der Vergangenheit lernen

Kurz darauf stand Bauer vor den Türen des Christophorus Heims und haderte zunächst mit sich. „Ich wusste nicht, ob es der richtige Weg ist und ich habe mich auch geschämt“, erzählt er. Doch der Wunsch, von der Straße wegzukommen, war größer. „Mir war klar, alleine schaffe ich das nicht.“ Bereut hat er seine Entscheidung nie – im Gegenteil. „Ich hätte diesen Schritt viel früher gehen sollen, und ich würde es auch jedem anderen Obdachlosen empfehlen“, sagt Bauer heute. Nach nur zwei Wochen in der Unterkunft fand Julian Bauer mit Hilfe des Jobcenters eine Arbeitsstelle als Lagerist. In Sozialarbeiter Tobias Mierzwiak hat der 19-Jährige einen Vertrauten gefunden, mit dem er das Geschehene aufarbeiten kann. Fragt man Bauer nach seiner Zukunft, ist er bescheiden. Die Vergangenheit hat ihm gezeigt, wie schnell sich alles ändern kann. Er möchte wieder Fuß fassen und irgendwann wieder in einer eigenen Wohnung leben. Es sieht alles danach aus, als könnte dieser Plan aufgehen ... *Name von der Redaktion geändert

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