Kaiserslautern Doktorvater hat ihn gerettet

Wenn der Syrer Adel Ataki morgens in seiner Wohnung in der Innenstadt aufwacht, fühlt er sich in Sicherheit. Dass er mit seiner Familie weit weg von dem Bombenhagel in Aleppo lebt, verdankt er seinem ehemaligen Doktorvater Hans-Jörg Bart von der Technischen Universität Kaiserslautern (TU). Der Professor für Thermische Verfahrenstechnik hat ein Forschungsstipendium für Ataki beantragt, damit er zurück nach Deutschland kommen kann.

Kaiserslautern ist Ataki nicht unbekannt. In den Jahren 2000 bis 2007 hat er hier gelebt und an der TU Kaiserslautern bei Professor Hans-Jörg Bart in Maschinenbau promoviert. Nachdem er die Doktorarbeit abgegeben hatte, wollte er zurück nach Aleppo im Norden Syriens, wo der 47-Jährige sein ganzes Leben zuvor verbracht hat. „Ich hatte damals viele Träume. Ich wollte zur Entwicklung des Landes beitragen, Forschung aufbauen und eine Familie haben.“ Also packte Ataki vor acht Jahren seine Sachen und ging zurück nach Syrien. Nach und nach verwirklichten sich viele seiner Träume. Er bekam eine Professorenstelle an der Universität Aleppo, wo er Maschinenbau unterrichtete. Und er traf seine Frau Marwa (36). Sie heirateten und bekamen zwei Söhne: Mohammad Laith (3) und Taim (1). Doch als Syriens Machthaber Baschar al-Assad auf die Demonstrationen für Demokratie und Meinungsfreiheit im Jahr 2011 mit Bombenabwürfen reagierte, veränderte sich Atakis Leben. „Assad hat Schritt für Schritt die Waffen verstärkt.“ Am Anfang habe er täglich 30 Demonstranten von der Armee töten lassen, die meisten mit Schwertern. Dann kamen Pistolenkugeln und Raketen hinzu. Schließlich setzte Assad Fassbomben ein. „Das sind 200 bis 300 Kilo schwere Gefäße, die mit Sprengstoff und Metallteilen gefüllt sind.“ Ataki war plötzlich umgeben von wahlloser Gewalt. „Ich habe gesehen, wie die Leute sterben. Ich könnte auch ein Opfer sein.“ Viele seiner Nachbarn leben nicht mehr. Die Kampfhubschrauber hat er an seinem Haus vorbeifliegen gesehen. Ataki wollte sein Leben retten und mit seiner Familie das Land verlassen. Er schrieb seinen ehemaligen Doktorvater Hans-Jörg Bart von der TU Kaiserslautern an, zu dem der Kontakt nie abgerissen war. Der Professor hatte seinen ehemaligen Doktoranden in guter Erinnerung und gab sich größte Mühe, ihm zu helfen. Bart beantragte ein Forschungsstipendium für Ataki, mit dem er ein Visum für sich und seine Familie bekam. Auch sorgte Bart dafür, dass die Familie zunächst im Gästehaus der TU wohnen konnte. Die Flüge bezahlte Jan Heil, ein deutscher Freund des Syrers, der zusammen mit ihm an der TU promoviert hatte und der inzwischen in München lebt. Im September 2013 landete Ataki mit seiner Frau und seinem Sohn in Deutschland. Die Gattin von Professor Bart kam die Familie am Flughafen abholen. „Meine Frau und mich hat das damals sehr berührt“, erzählt der 47-Jährige. „Professor Bart hat mich gerettet.“ Ataki war zurück in der Stadt, die er bereits von seiner Promotion kannte. „Kaiserslautern ist ruhig und angenehm. Die meisten Leute sind nett“, sagt er. Er fühlt sich in der Stadt wohl und sicher. Sein Deutsch ist gut, manchmal hält er kurz inne, um nach dem passenden Ausdruck zu suchen. Er wirkt nachdenklich und ruhig. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Thermische Verfahrenstechnik, macht er Experimente an der TU, schreibt Aufsätze auf Deutsch und Englisch und besucht Konferenzen. Am Anfang hat er sich über ein Forschungsstipendium finanziert, seit August ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU angestellt. Er wohnt mit seiner Familie inzwischen in einer Drei-Zimmer-Wohnung in der Innenstadt. Atakis dreijähriger Sohn geht in in die Kindertagesstätte. Seine Frau Marwa passt auf den einjährigen Sohn auf. Sie hat einen Bachelor in englischer Literatur und würde gerne noch einen Master machen oder arbeiten. Manches fehlt Ataki in Kaiserslautern im Vergleich zu seiner alten Heimat. „Es ist schwer, Nahrung zu finden, die halal ist. Und wenn dann ist sie teuer“, erzählt der gläubige Muslim über die nach seinem Glauben erlaubten Lebensmittel. Außerdem fehlt ihm die Offenheit in Syrien. „Bei uns spielt das Leben mehr in der Nacht. Man isst, singt und feiert manchmal bis in die Morgenstunden.“ Integration bedeutet für Ataki, einen Mittelweg zu finden. „Man sollte nicht auf seine Werte verzichten, aber die Regeln und die Gesetze, die hier gelten, anerkennen.“ Ataki und seine Frau denken noch oft an ihre Heimat und verfolgen täglich die Berichterstattung. Sie haben das Land verlassen, bevor die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) nach Aleppo vorgedrungen ist. „Was IS will und gegen wen sie kämpfen, ist mir unklar. Aber mit dem Islam hat das nichts zu tun“, sagt der 47-Jährige. Viele Mitglieder der Terrororganisation seien durch Lügen angeworben worden und hätten nicht gewusst, was sie erwartet, ist er überzeugt. Ataki hofft wie viele seiner Landsleute auf Frieden . „Ich kenne viele Syrer, die hier nicht froh sind. Sie hoffen, dass der Krieg bald zu Ende ist und sie zurück können.“ Der 47-Jährige ist sich selbst nicht sicher, ob er erneut zurückkehren würde. Seine Frau vermisst ihre Verwandten und würde gerne irgendwann wieder nach Syrien gehen. Ataki schätzt die Forschungsmöglichkeiten, die er in Deutschland hat. „Wenn irgendwann wieder Frieden herrscht, werden meine Frau und ich gemeinsam schauen, was wir machen.“ Das Fax mit dem sich Ataki im Jahr 1998 von Syrien aus bei Professor Bart als Doktorand beworben hat, hat er heute noch. Dass es ihm 15 Jahre später helfen würde, sich und seine Familie aus einer lebensbedrohlichen Situation zu retten, konnte er damals nicht ahnen. (joha) Die Serie In Kaiserslautern leben Menschen aus etwa 140 Nationen. Einige von ihnen stellen wir in der Reihe „Angekommen“ vor. Interessierte können sich auch in der Redaktion melden unter Telefon 0631/3737218 oder per E-Mail an stadtteilekl@rheinpfalz.de.

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