Kaiserslautern Der Schein trügt

Trotz Fußball-Übertragung zog die aus Füssen stammende Autorin Nicola Förg am Dienstag noch eine beachtliche Leserschar in die Buchhandlung Thalia. Die Reisejournalistin und freie Schriftstellerin stellte ihren neuesten Alpen-Krimi „Scheunenfest“ vor.

Eine alpenländische Dorfidylle aus dem Ammertal bei Unterammergau erscheint auf den ersten Blick als Panorama wie geschaffen für Heimatromane. Zumal der bayerische Heimatdichter Ludwig Ganghofer mit seinem Roman „Der Herrgottschnitzer von Oberammergau“ entsprechende Assoziationen weckt. Und Nicola Förg beginnt auch entsprechend, spielt geschickt mit der Erwartungshaltung: „Ein sauberes Dekolleté, aus dem die Brüste appetitlich hervorquellen. Bierkrüge, die zusammenkrachten...“ Dieser Einstieg ins bayerische Kolorit scheint Erwartungen zu bestätigen. Doch dann ragt düster eine abgebrannte Scheune in den Himmel über dem Ammertal, das zum Schauplatz von menschlichen Tragödien wird: Bei den Aufräumarbeiten werden darin die verkohlten Leichen zweier Frauen gefunden. Wurden diese Opfer eines tragischen Unfalls, oder wurden Spuren zur bewussten Täuschung arglistig verwischt oder gelegt? Der raffiniert konzipierte Kriminalroman gehört zur 2009 begonnen Reihe um Kommissarin Irmi Mangold, die hier zusammen mit Kathi Reindl ihren sechsten kniffligen Fall löst. Der im März im Pendo-Verlag München erschienene Band „Scheunenfest“ geizt nicht an überraschenden Wendungen, die der scheinbar Routinefall parat hat: Die in der Brandruine gefundene tote Rumänin Ionella hatte zuvor das alte Ehepaar gepflegt, dem dieser Bauernhof gehörte. Ungeklärt ist aber zunächst, wer die zweite Frau eigentlich war. Schließlich ergeben die Ermittlungen, dass sie schon vor dem Brand tot waren und in der Scheune auch noch eine Phosphorbombe lagerte. Also genügend Zündstoff für eine Verkettung von Zufällen. Oder wollte jemand einen Doppelmord vertuschen? Die Autorin gab am Dienstag nicht nur Einblicke in den Handlungsaufbau, indem sie geschickt Leseproben zur Spannungssteigerung um den mysteriösen Fall gruppierte. Sie erläuterte auch den Hintergrund der Handlung und zeigte, dass die scheinbare dörfliche Idylle schon von gesellschaftlichen Auflösungserscheinungen bedroht ist. So beispielsweise die ehemals intakte patriarchalische Großfamilie. Somit erweisen sich Alpenpanorama und heimatliches Kolorit als trügerisch und der Titel „Scheunenfest“ als leicht irreführend. Schon der 2011 erschienene Kriminalroman „Hüttengaudi“ hatte eine spannende Handlung hinter einem harmlos und bieder wirkenden Titel getarnt. Auch sonst erweist sich die Autorin als äußerst geschickt, wenn es gilt, Beweismaterialien und Indizien für den Leser sukzessive einzuführen, um große Spannung aufzubauen. Im Vortrag offenbarten sich ihre Stärken in der rhetorisch fließenden Charakteristik der Handlungsträger. In einer regen Fragenstunde weihte die Autorin in ihre konzeptionelle Vorgehensweise ein. Sie räumte jedoch auch ein, dass sich solche Erfolgsserien auch abnutzen könnten. Andererseits entstünde für den Leser durch die Wiederbegegnung mit sympathisch dargestellten Ermittlern auch eine gewisse Vertrautheit. Die Frage, ob ein Buch bereits vor der Niederschrift im Kopf existiere oder das Schreiben als solches eine Eigendynamik mit sich bringe, beantwortete Förg mit einer groben Vorabstruktur. Sie brauche einen guten Ein- und Ausstieg, gönne sich ansonsten aber auch die Freiheit von experimentellen Veränderungen. Die 1962 in Kempten geborene Schriftstellerin studierte nach dem Abitur Germanistik und Geographie in München und arbeitete zunächst als Redakteurin für die Magazine Traveller’s World und Ski. Ab 1991 publizierte sie als freie Journalistin für Magazine Beiträge zu den Themen Reisen, Touristik und Innenarchitektur und verfasste Reiseführer. Als engagierte Tierschützerin betreut sie zudem die Tierseite im Münchner Merkur.

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