Kaiserslautern Der Mut eines Mädchens

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Ist das Pfalztheater außer Haus unterwegs, dann sind die Spielstätten überwiegend Schulen. Im Gepäck sind Klassenzimmerstücke, die Jugendliche in meist gesellschaftspolitischen Ausnahmesituationen in den Mittelpunkt rücken. So wie aktuell „Malala – Mädchen mit Buch“ die Geschichte der jüngsten Nobelpreisträgerin aller Zeiten behandelt. Das Erzählstück spielt Schauspieler Luca Zahn. Premiere war am Mittwoch an der IGS Goetheschule, die zu den Gewinnern des Projektes PUSH zählt.

Ein Klassenzimmer hautnah – das wäre so ganz nach Malalas Geschmack gewesen. Ein Klassenzimmer als Bühne für die eigene Geschichte, die sie weltweit populär machte. Ein Klassenzimmer in Lautern für eine Elfjährige, die ein Blog über ihr Leben als Mädchen in Pakistan schreibt, die den Zugang zur Bildung für Mädchen fordert und damit zur Kinderrechtsaktivistin wird. Deswegen soll sie mit 15 Jahren von den Taliban getötet werden. Sie überlebt knapp. An ihrem 16. Geburtstag sagt sie in einer Rede vor der UN, dass das Attentat weder ihre Ziele, noch Hoffnungen, noch Träume ändern konnte und überreicht dem UN-Generalsekretär die vier Millionen Unterschriften schwere Petition, die das Recht auf Bildung für alle Kinder fordert. 2014 – mit 17 Jahren – nimmt sie als bisher jüngste Preisträgerin den Friedensnobelpreis entgegen. Schauspieler Luca Zahn – frisch von der Schauspielschule und einer der Neuen am Haus – erzählt die Geschichte von Malala Yousafzai und ihrer Familie, so wie sie der britische Autor Nick Wood aufschrieb, und fügt ein, was ihm selbst zu sagen beziehungsweise zu fragen wichtig ist. Beispielsweise: „Was ist da eigentlich passiert? Ein Mädchen, das nicht zur Schule gehen darf? Ein Mädchen, das dafür kämpft und deswegen angeschossen wird? Gibt es das wirklich?“ In seinem Monolog taucht immer wieder diese Art der Verunsicherung auf. Doch zum Grübeln kommt er nicht. Er spannt Wäscheleinen, sortiert daran die Geschichte aus bedruckten Stoffen wie Buchseiten, befestigt sie mit Wäscheklammern, ordnet Fakten und Ereignisse, äußert Wissen und Fragen. Seine Mimik bleibt auffallend neutral. Stattdessen szenisches Erzählen: Er geht hin und her, steigt auf Stühle und Tische, verkündet Verbote und Strafandrohungen der Taliban mit Megafon, fabriziert gruselige Geräusche donnernder Gewehrsalven. Und immer wieder verhüllt und entblößt er Tuch um Tuch, ein jedes in eigener Farbe. Es ist wie ein Aufblättern der Details in Malalas Geschichte, ein Kennenlernen der aufgedruckten Familienporträts und Herkunftssymbole. „Stellt Euch vor,“ sagt Luca Zahn anfangs während er den Trockenständer aufbaut, „ab sofort nicht mehr zur Schule zu gehen, keine Schulbücher, keine Hausaufgaben, keine Noten, kein Mathe, kein Sport – gar keine Bildung mehr.“ Er klammert einen pink-rosé-farbenen Stoff fest, mitten darauf Malalas großformatiges Antlitz: „Ihre Lieblingsfarbe – seit die Taliban im Land sind, darf sie die nicht mehr tragen.“ Verhaltene Hip-Hop-Klänge begleiten seinen Monolog knapper Sätze. Pausen setzt er nach wenigen Worten. Die Stimme bleibt betont besonnen, ab und an schwillt sie an, wird prägnanter, schneller, ähnlich dem Flattern der Tücher beim gelegentlichen Kreisen der Wäschespinne. Es erinnert an Leinen voller Gebetstücher und somit auch daran, dass westliches Erschrecken über eine Tat wie an diesem Kind nie ausreichen kann um zu begreifen, was es tatsächlich an Mut bedarf, um am Ende in ihrer UN-Rede überzeugt festzustellen: „Ein Kind, ein Lehrer, ein Buch und ein Stift können die Welt verändern.“ Ein Stück, das Zeit braucht, nachdenklich macht und an Türen andersartigen Denkens so lange klopfen möge bis es gelingt, dem Menschenrecht alles weitere unterzuordnen.

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