Kaiserslautern Das schwarze Land

„Ägypten – Land der Unsterblichkeit“ heißt die erste Ausstellung, mit der die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen (REM) ab morgen ihren neuen Altägypten-Schwerpunkt vorstellen. Die gelungene, einladend gestaltete Präsentation, die sich als grundlegende Überblicksdarstellung versteht, soll „semi-permanent“ werden: eine Dauerausstellung, die jedoch stets neue Akzente setzen will.

„Kemet“ haben die Ägypter ihre Heimat selbst genannt, „das schwarze Land“ – nach dem dunklen Nilschlamm, der die Felder so fruchtbar machte. „Sei gegrüßt Nil, … der alles Gute erschafft“, zitiert die Ausstellung denn auch eingangs aus dem „Großen Nilhymnus“. Die gut 500 Stücke umfassende Schau, die modern und klug inszeniert Wissen vermittelt, erstreckt sich in vier Themenblöcken auf 1000 Quadratmetern: „Leben am Nil“, „Leben im Tod“, „Götterwelten“ und „Neue Herrscher“. Zunächst geht es – anhand eher kleinformatiger Stücke, aufwendig bemalte Sahophagdeckel folgen später – um den Alltag, um Ernährung, Haus und Hof, Schönheitspflege, Handel. An der Wand: ein faszinierendes, 16 Meter langes Panoramafoto Sandro Vanninis, das von Luxor aus den Nil und die Berge mit dem gerade noch so zu erahnenden Hatschepsut-Tempel zeigt. Nur drei bis fünf Prozent der Ägypter gehörten zur Oberschicht, die lesen und schreiben konnte und jene Kulturgüter schuf, die heute noch so faszinieren. Und die ihr Leben im Totenreich vorbereiteten. Wie Senefer, der Bürgermeister von Theben. Doch auch der gleichzeitig um 1400 vor Christus lebende, niedriger gestellte Amenemhat, sorgte sich um sein Nachleben. Er war „Kammerherr“, oder wie Kuratorin Gabriele Pieke flapsig sagt, eine Art „Butler“. Senefers unterirdische Grabkammer ist in Mannheim auf der Grundlage detaillierter Fotografien, die der Louvre bereitstellte, nachempfunden worden. Der Besucher tritt gebückt ein und fühlt sich umringt von strahlenden Malereien, die als beleuchtete Fotografien an Wänden und Decke installiert sind – ein fast eindringlicheres Erlebnis als ein Besuch im „Tal der Könige“, wo viele Grabkammern recht nachlässig neu ausgemalt wurden. Wir sehen Senefer und seine Schwester Merit, dazu Totenkönig Osiris, seine Frau Isis, Sohn Horus, Grabbeigaben wie Feigen, Eier, Lotusblüten. An Hörstationen werden Details erläutert. Seit dem fünften Jahrtausend glaubten Ägypter an ein Leben im Jenseits, für das die Toten vorbereitet werden mussten, erläutert Gabriele Pieke. Zuvor hatte es Sandbestattungen gegeben: Durch das Klima blieben Skelette erhalten, so entwickelte sich der Glaube, dass es nach dem Tod weitergeht. Die Mumien oder auch beigefügte Statuen waren Gefäße für den Toten, in sie konnte der Seelenvogel bei der Ankunft im Totenreich wandern. Die Grabbeigaben waren nicht Zierde: Bilder, Statuen, Schiffsmodelle, Worte galten als magisch belebbar, konnten in der Vorstellung der Ägypter Realität werden. So ist das Totenbuch, das Amenemhat hinterließ, eine Art Gebrauchsanweisung. Durch die Sprüche wollte er lernen, zu einem Reiher, Falken oder Ibis zu werden. Und sich auf die Prüfung vorbereiten, in der sein Herz gegen die Feder der Wahrheit aufgewogen wird. Bei Nichtbestehen verspeiste „die große Fresserin“ das Herz, so Pieke. „Das Totenreich war kein Paradies.“ Die Ägyptologin, die von den Staatlichen Museen zu Berlin nach Mannheim kam, betont aber auch, dass selbst für Experten in Totenbüchern vieles „im Rätselhaften“ verbleibe. Ebenso in den „Götterwelten“, die teils schwer verständlich seien. Als schwarze, von hinten angestrahlte Metall-Silhouetten, die so an ein Scherenschnittkino erinnern, präsentiert die Schau dutzende Götter wie die katzenhafte Bastek oder das Krokodilwesen Sobek. Einem Tempel mit Nischen gleicht der folgende Raum, der einzelne Götterkulte beleuchtet und in einen Blick auf die wieder von Sandro Vannini fotografierten Säulen von Luxor mündet. Einige Mumien gibt es auch – allerdings von Tieren, beispielsweise Katzen, die zum Bastek-Kult gehörten. Tiermumien waren gegen Ende des ägyptischen Reichs populär. Damals wurden auch griechische Einflüsse deutlich, vor allem nach der Eroberung durch „Neue Herrscher“: Statuen und Mumienbildnisse zeigen nun Haare. So anschaulich, schlüssig und modern präsentiert ist die rund 1,5 Millionen Euro teure neue (Dauer-)Ausstellung, dass sie den Ärger im Vorfeld ihrer Entstehung (siehe „Zur Sache“) beinahe vergessen macht. Unbefangen über Sarkophage und Totenbücher zu staunen, fällt jedoch heute schwerer als früher. Der Antikenhandel trieb jahrelang weitgehend ungehemmt seine Blüten. Mittlerweile jedoch ist die Öffentlichkeit sensibilisiert. Auch daher taten die Reiss-Engelhorn-Museen nun gut daran, nicht mit Sammlern zusammenzuarbeiten, die zugleich Händler sind.

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