Kaiserslautern Das All schlägt zurück

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Er kann es noch. Roland Emmerichs „Independence Day: Wiederkehr“ ist ein spannendes Science-Fiction-Spektakel mit sehenswerter 3D-Action und zugleich eine humorvolle Hommage an Klassiker wie „Star Wars“. Auch die Botschaft könnte passender nicht sein, porträtiert der Film doch eine Erdenbevölkerung, die trotz aller Unterschiede an einem Strang zieht und es geschafft hat, friedlich miteinander auszukommen. Einziges Manko des angenehm verspielten Blockbusters: Es tauchen zu viele Figuren auf.

Roland Emmerich hatte zuletzt – für Hollywood-Verhältnisse – eine Durststrecke. „White House Down“ war 2013 kein großer Kassenerfolg. Davor und danach klemmte sich der engagierte Schwabe hinter zwei Herzensprojekte ohne reißerische Action: 2011 die Shakespeare-Erkundung „Anonymus“, die ihm Anerkennung brachte, aber keine riesigen Zuschauerströme, und 2015 „Stonewall“ über den Beginn der Schwulenbewegung. „Stonewall“ ist der persönlichste Film des offen homosexuellen Regisseurs, doch erntete er ausgerechnet von Schwulenverbänden Gegenwind. Der Vorwurf: Er habe die Rolle hispanisch-afroamerikanischer Aktivisten nicht genug gewürdigt. Nun kehrt der 60-Jährige zurück zum Erfolgsrezept „Außerirdische, Explosionen plus unbeugsame Helden“. Politisch korrekt geht es aber ebenfalls zu. So gehört zum Weltenretter-Personal ein älteres schwules Wissenschaftlerpaar, eine chinesische Kampfpilotin, ein afrikanischer Alien-Nahkampfexperte, die ebenfalls im Kampfflug erprobte Tochter des Ex-US-Präsidenten und ein junges, zerstrittenes US-Pilotenduo: einer schwarz, der andere weiß. Obendrein führt eine Frau das Film-Amerika anno 2016: Präsidentin Lanford ist sozusagen Vorbotin von Hillary Clinton. Zu Beginn der ersten Actionszenen will die Präsidentin (Sela Ward) am 4. Juli 2016 die Feiern zum 20-jährigen Gedenken an den ersten „Independence Day“-Kampf gegen die zerstörungswütigen Aliens eröffnen. Doch ihr Vorgänger Whitmore (Bill Pullman), schwer gezeichnet seit dem Gefecht von 1996, durchkreuzt den patriotischen Moment: Er weiß, dass die Aliens zurückgekehrt und stärker denn je sind. Zu diesem Zeitpunkt hat der Zuschauer in einer mit reichlich Humor unterfütterten Exposition bereits das Figurenarsenal kennengelernt, das im Filmverlauf mit jeweils ganz eigenen Fähigkeiten zum Einsatz kommt. Aus dem ersten Teil sind Satellitenexperte David Levinson (Jeff Goldblum) und sein Vater (Judd Hirsch) im Spiel, der zwischendurch auf einem kleinen Boot die wohl größte Filmflutwelle seit Emmerichs „2012“ übersteht. Auch Wissenschaftler Brakish Okun (Brent „Data“ Spiner) war schon 1996 dabei. An ihm liegt es nun, das Aliengebaren zu verstehen. Zu Hilfe kommt ihm eine außerirdische Kugel, die sich als dritte Partei im Gefüge entpuppt: eine Intelligenz, die größer ist als alle. Und von der US-geführten Erde vorsorglich beinahe platt gemacht wird. Hier atmet der Film die Philosophie der alten „Star Trek“-Serie sowie all jener Utopien, die auch als Antikriegs-Appelle und Aufruf zu mehr gegenseitigem Verständnis zu verstehen sind: Das Fremde muss nicht feindlich sein, nur, weil es so anders wirkt. Und Fremde können auch Freunde werden. So ist „Independence Day: Wiederkehr“ auch der passende Film zu den Fluchtbewegungen unserer Zeit. Das Drehbuch wird zudem nicht müde zu betonen, wie stark diese Erde geeint ist nach dem ersten Alienangriff von 1996. „Wir sind ein Volk“, heißt es gleich zu Beginn. So liegt ein Schlüssel zum Verständnis der Alienangriffe in Afrika, und der zunächst so brutal wirkende Ex-Warlord Dekembe (Deobia Oparei) entpuppt sich als wichtiger Verbündeter. Auch wird erst das Einverständnis so ziemlich aller Staatenlenker eingeholt, bevor die USA Rettungsplan A angehen. Dass er schief geht und vor allem London pittoresk zerlegt wird, ist in Brexit-Zeiten nahezu prophetisch, aber natürlich ein witziger Zufall. Überhaupt funktioniert der Film nur dank eines eigenen Humors: Das fünfköpfige Drehbuchteam – Dean Devlin ist wie 1996 Mitautor Emmerichs, hinzu kommen drei Eventfilm-Spezialisten – scheint sich teils über die eigene Geschichte lustig zu machen. Schließlich ist alles übergroß, schwer pathetisch, und so manches Actionfilmklischee taucht auf. Ob es die bedrohte Liebe zwischen der klugen Präsidententochter (Maika Monroe) und dem aufmüpfigen Fliegerhelden Jake (Liam Hemsworth) ist oder die fast karikaturhafte Rettung einer einzelnen Mutter samt frisch geborenem Baby von einem Dach, während unten Tausende von umstürzenden Bauten begraben werden. Wobei nichts einfach einstürzt: Wolkenkratzer fliegen hier erst hoch in den Himmel oder quer über Kontinente – die Effekte überzeugen. „Die stehen auf Wahrzeichen“, heißt es trocken, als ein Riesenbuddha Big Ben zerbröselt. Das Drehbuchteam hat genüsslich bei sich selbst sowie anderen Katastrophen- und Science-Fiction-Filmen „geklaut“. Schön ist die Hommage an die „Star Wars“-Fliegerstaffel und ihre trickreiche Vernichtung des ersten Todessterns dennoch. Schließlich war es der erste „Krieg der Sterne“-Film, der Emmerich bewog, Regie zu studieren. Einer seiner frühen Filme, „Moon 44“, mag auch Pate gestanden haben: Eine Mondbasis ist in „Independence Day: Wiederkehr“ entscheidender Schauplatz. Bei einer „Mondmilch“ bahnt sich auch die Versöhnung an zwischen Jake, dessen Anführerfigur an den jungen James T. Kirk gemahnt, und Kumpel Dylan (Jessie Usher), Sohn des 1996 von Will Smith gespielten Captain Hiller. Doch auch an den jüngsten Streich der Coen-Brüder, der rachsüchtige Hollywood-Drehbuchautoren persifliert, erinnert der Film: Drehbuchautor Nicolas Wright hat sich selbst eine coole Sidekick-Rolle auf den Leib geschrieben. Er spielt einen bebrillten, aktenbewehrten Bedenkenträger, der dann doch lernt, Aliens Zunder zu geben. Da kommen dann auch die Machos im Publikum auf ihre Kosten, zumal sich die Bedrohung aus dem All als eine sehr weibliche entpuppt. Die Angst vor der Urmutter verhandelt der Film also auch. „Independence Day: Wiederkehr“ lässt sich aber natürlich auch ganz banal als Sommer-Entspannung und Auszeit von den echten Katastrophenmeldungen rund um die Welt genießen. Wobei zwischendurch doch gut aufgepasst werden muss, um sich in der Fülle des Stoffs nicht zu verlieren: Der ganz große Publikumserfolg dürfte Emmerich daher doch erneut nicht gelingen.

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