Kaiserslautern Charlies Lächeln erstrahlt über Bach und den Beatles

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Beatles? Klar. Hat jeder schon einmal gehört. Dasselbe gilt für Bach, wenngleich akustisches Zeitzeugnis fehlt, da im Barock die Tonaufzeichnung nicht mal als Zukunftsmusik Erfindergeist beschäftigte. Aber Hildegard von Bingen? Was hat die Gelehrte vor 900 Jahren wohl vor sich hingesummt? Nun, zumindest einen Eindruck davon haben – dank des außergewöhnlichen Musikensembles „ARTonal“ – Besucher der Kulturfabrik in Linden beim Konzert „Ich höre was, was du nicht siehst“ gewinnen können.

Spätestens das Smartphone hat die Pforte zum Zeitalter der Reproduktion sperrangelweit aufgestoßen. In dem ein oder anderen schick-handlichen Edel-Kästchen hat auch die Darbietung des Ensembles „ARTonal“ in der Kulturfabrik Linden am Samstagabend den Moment überdauert. Tradiert wird Musik bereits seit mehr als 50.000 Jahren, wie Pianist Joachim Pallmann bekundete. Notiert hingegen werden Tonfolgen gerade mal seit einem Jahrtausend. Und noch immer herrsche in manch Kulturkreis Erstaunen darüber vor, dass man Musik in Zeichen fassen, in Partitur-Gestalt formen müsse, anstatt Gehörtes allein durch fortwährende Wieder- und Weitergabe lebendig zu erhalten. Nun gut: Solcherlei Fragen können müßig sein. Pallmanns Worte aber sind durchaus geeignet, eine neue Sichtweise auf das Hörerlebnis zu eröffnen. „Ich höre was, was du nicht siehst – Klangwelten aus 1000 Jahren“ war der Abend überschrieben. Denkbar, dass da beim Formulieren von Teil eins des Titels Familie Pallmann und Mitstreitern der Schalk im Nacken gepackt hat. Teil zwei aber trifft’s. Das Septett ließ seine Zuhörer allemal in reiche, breitgefächerte und teils in ihrem Ursprung weit zurückliegende Klangwelten entschweben. Nun lässt die Musik aus Zeiten Hildegards von Bingen manchen Hörer eher ratlos dreinblicken. Im Galopp vor und zurück durch die Epochen wurde jedoch vieles laut, was heutigen Hörgewohnheiten schmeichelt. Johann Sebastian Bachs Werk ist seit 300 Jahren populär. Dabei habe sich der Kirchenmusiker seinerzeit ungeniert selbst gecovert, Tonfolgen für Nicht-Tasteninstrumente transponiert, erläuterte Jo Pallmann – um gleich ein Beispiel zu liefern. Max Pallmann griff das Vorspiel mit dem Vibrafon auf. Für einen besonderen Akzent zeichnete ebenfalls der Schlagwerker verantwortlich, als er der Tabla – zwei Kesseltrommeln – nicht für möglich gehaltene Klänge entlockte. Irische Traditionals, Klezmer, Jazziges – bis hin zur Populärmusik reichten die Häppchen, die das Ensemble reichte. Und da sind unverkennbar Könner am Werk. Neben Joachim und Max strich Charlotte Pallmann das Violoncello, spielte Monika Pallmann allerhand Flöten, Christine Kupperroth Klarinette und Saxofon, Christoph Thomas Schlaginstrumentarium. Auch Vokal überzeugte die gesamte Gruppe, wenngleich Maren Syväri als Sängerin naturgemäß Farbtupfer setzte. Das vermochte sie vorzüglich. Charlie Chaplin hat die Melodie zu „Smile“ entwickelt. Syväris Interpretation des melancholischsten musikalischen „Lächelns“ der Musikgeschichte erstrahlte jedenfalls noch über Bach und den Beatles. |cha

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