Kaiserslautern Bühne frei!

91-83821746.jpg

Ihr Auftritt, Nero! Seit gestern Abend bietet das ehemalige Augusta Treverorum dem berühmt-berüchtigten Herrscher Roms über fünf Monate nicht nur eine, sondern gleich drei Bühnen: Das Rheinische Landesmuseum fragt „Nero – Kaiser, Künstler und Tyrann“? Das Museum am Dom widmet sich „Nero und den Christen“, und das Stadtmuseum Simeonstift spürt dem „Mythos Nero in der Kunst“ nach. In drei hochkarätigen Präsentationen, die zum Besten gehören, was in jüngster Zeit an historischen Ausstellungen zu sehen war.

Der Mann hat nichts mehr zu verlieren. Sein Ruf in der Nachwelt scheint ein für allemal ruiniert: grausamer Tyrann, Muttersöhnchen und Muttermörder, Christenverfolger, Brandstifter, Sexualneurotiker, ein Fall für die Psychiatrie. Der Geschichtsunterricht liefert immer neuen Schülergenerationen mit dem Datum des großen Brands von Rom im Jahr 64 auch gleich den Täter mit: Nero. Das wird mittlerweile durchaus angezweifelt. Hartnäckig in den Köpfen festgesetzt bleibt jedoch das Bild des gar grauslich singenden, sich selbst auf der Lyra begleitenden Peter Ustinov in der Rolle des sich beim Anblick des brennenden Roms erfreuenden Kaisers in Mervyn LeRoys Monumentalfilm „Quo vadis?“ aus dem Jahr 1951. Ist dieses Bild falsch? 1948 Jahre nach dem erzwungenen Selbstmord des Delinquenten (Patienten?) und nach dem Besuch dreier Ausstellungen heißt die Antwort „jein“. Leichen pflasterten schließlich auch den Weg zur Macht des von der Nachwelt ungleich milder beurteilten Augustus. Die drei Trierer Ausstellungs-Teams, die das rheinland-pfälzische Großprojekt vier Jahre lang vorbereiteten, traten nicht mit dem Ziel an, einen zu Unrecht Verfemten reinzuwaschen. Man könnte sagen, sie haben sich dem aufgeklärten Preußenkönig Friedrich II. angeschlossen, dessen Zitat aus seinen Randbemerkungen zu Montesquieus „Größe und Niedergang Roms“ (1734 ) die Besucher des Rheinischen Landesmuseums entlässt: „ Sollte es bei der Aufzählung der schlechten Eigenschaften, die man den Kaisern zuschreibt, nicht einige Übertreibungen geben?“ Nero in neuem Licht: Das bedeutet nicht, ihn nach zwei Jahrtausenden mit einem Mal in einen strahlenden Helden zu verwandeln. Das hätte insbesondere das sich dem düsteren Kapitel der Christenverfolgungen und dem Thema verfolgte Religionen allgemein widmende Museum am Dom vor eine unlösbare Aufgabe gestellt. Da hatte es das Stadtmuseum Simeonstift auf den Spuren der Nero-Nachwirkungen in der Kunst einfacher. „Lust und Verbrechen“ haben zu allen Zeiten Künstler weitaus mehr inspiriert als himmlische Ruhe. Nero in neuem Licht: Das bedeutet für das Rheinische Landesmuseum zuallererst, die Quellen für den üblen Leumund zu entlarven. Die heißen Tacitus, Sueton und Cassius Dio. Und sie waren Angehörige jener römischen Aristokratie, die den seine durchaus vorhandene künstlerische Begabung auslebenden Nero mehr als kritisch beäugten. Was dieser als 16-Jähriger dank der Ränkespiele seiner Mutter Agrippina an die Macht gekommene Kaiser sich erlaubte, schickte sich nicht für den Höchsten im Römischen Reich. Beim Volk hingegen schien der Liebhaber von Wagenrennen und Gladiatorenspielen sich – anfangs zumindest – einiger Beliebtheit zu erfreuen. Vielleicht weniger bei den Zeugen seiner Bauwut und Verschwendungssucht in Rom selbst, ganz gewiss aber bei den Griechen. Von einer 16-monatigen Reise in die Provinz Achaia brachte er nicht nur 1808 Siegerkränze von diversen sportlichen und musischen Wettstreiten mit, er schenkte auch der ganzen Provinz Steuerfreiheit. Seine pathetische Rede ist erhalten, eingemeißelt auf einem Stein, der jetzt aus dem Museum Theben die Reise nach Trier angetreten hat. Oft hatte die Altertumswissenschaft noch nicht die Möglichkeit, das Original zu studieren. Und dieser Stein ist nicht die einzige Kostbarkeit, die jetzt an die Mosel kommen durfte. Aus dem Louvre ist eine von zwei weltweit noch erhaltenen Statuen des jungen Nero zu sehen, da noch als „Führer der Jugend“ gepriesen – wie eine Inschrift auf einem, aus den Kapitolinischen Museen in Rom, eigens ausgemauerten Stein besagt. In einer Zeit des virtuellen „Alles-ist-möglich“ muss es erwähnt werden: Es gibt hier keine Kopien und Repliken, sondern Originale. Über 700 hochkarätige Exponate, von den Ausstellungsarchitekten in einer Raumabfolge mit großem dramaturgischen Geschick zu Szenen eines Lebensdramas inszeniert, das am Ende sogar noch den regionalen Aspekt mit einbindet. Mit dem Aufstand des Gaius Julius Vindex in Vesontio, dem heutigen Besançon, zu dessen Niederschlagung sich Truppen aus Mogontiacum (Mainz) auf der über den Hunsrück und Trier führenden Ausoniusstraße in Bewegung setzten, begann der Fall des ungeliebten Herrschers. Eine Art Kettenreaktion setzte ein, Revolte überall. Nero floh auf sein Landgut – und entging der grausamen Hinrichtung, in dem er sich selbst den Dolch in die Kehle stieß. Dass sich danach auch die Stämme in den römischen Grenzregionen erhoben, war bekannt. Aber erst im vergangenen Jahr entdeckten die Landesarchäologen in der Nähe des Moselörtchens Riol das Schlachtfeld, auf dem römische Soldaten die Erhebung der Treverer niederschlugen: Funde, die dies belegen, sind nun erstmals ausgestellt. Nero-Bildnisse – wie die beeindruckenden Reste einer Bronzestatue aus dem Louvre – wurden zerstört, umgearbeitet, anderweitig verwendet. So fand ein Nero-Porträt den Weg auf ein Stiftskreuz aus dem Domschatz von Minden: eines der ebenfalls hochkarätigen Exponate, die das Museum am Dom präsentiert. Ganz zu schweigen vom Simeonstift, dessen Ausbeute an Leihgaben zu Nero in Kunst, Musik und Literatur alleine schon eine Hymne – vielleicht begleitet auf der vom Kaiser so geliebten Wasserorgel – wert wäre. Sei es Eugène Delacroix’ Porträt des Schauspielers Talma als Nero , seien es die vielen Beispiele von Nero-Opern von Monteverdi über Händel bis Boito und Mascagni (mit Hörstation) oder seien es die köstlichen fast aktuellen Karikaturen mit Nero-Bezug, mit denen diese Ausstellung endet. Allen Beteiligten der Museen und den Landesarchäologen der Generaldirektion Kulturelles Erbe ist in Trier ein großer Wurf gelungen, dem viel Zuspruch zu wünschen ist. Die Ausstellung „Nero, Kaiser, Künstler und Tyrann“: Rheinisches Landesmuseum, Museum am Dom, Stadtmuseum Simeonstift, bis 14. Oktober dienstags bis sonntags 10-18 Uhr; www.nero-ausstellung.de.

91-83821744.jpg
91-83821743.jpg
x