Grünstadt Ist Frauenfußball der ehrlichere Sport?

«Grünstadt.» Während die deutsche Fußballnationalmannschaft der Frauen in den Niederlanden um den Europameister-Titel spielt, hat Julian Nagelsmann mit einer bemerkenswerten Aussage in einem Interview für Diskussionen gesorgt. Die Spielerinnen seien nicht so weinerlich wie ihre männlichen Kollegen, meint der Trainer des Bundesligisten TSG Hoffenheim. Hat er Recht?

Das Fußball-Bundesliga Spiel am 6. Dezember 2005 zwischen MSV Duisburg und 1. FC Köln ist in die Geschichtsbücher eingegangen. Nicht aus sportlichen Gründen, das 1:1-Unentschieden war ein eher durchschnittlicher Kick. Den Grund, warum das Datum in keinem Bundesliga-Rückblick fehlen darf, lieferten der damalige MSV-Trainer Norbert Meier und Kölns Albert Streit. An der Seitenlinie gerieten die beiden in einem Wortgefecht aneinander – was dann folgte, war purer Slapstick. Nachdem sich beide Akteure hauchzart am Kopf berührt hatten, fielen Meier und Streit wie vom Blitz getroffen auf den Rasen, die Hände vor dem schmerzverzerrten Gesicht. Ein Trauerspiel. Die ständige Suche nach dem Wettbewerbsvorteil – häufig mit Mitteln, für die sich noch ein Laienschauspieler schämen würde –, sie ist zu einem geduldeten Übel im hoch bezahlten Profifußball geworden. Am Rande der laufenden Frauenfußball-Europmeisterschaft hat nun Julian Nagelsmann die These aufgestellt, dass man solche Szenen bei den Damen nicht ertragen müsse. Und wenn man sich bei den Funktionären in der Region umhört, scheint der TSG-Coach viel Wahres gesagt zu haben. „Ich habe das selbst schon so geäußert“, sagt Daniel Herstein, Trainer der Bezirksliga-Damen der SG Grünstadt/Kerzenheim. „Diese Schauspielerei ist bei den Männern ja gang und gäbe. Manchmal hat man das Gefühl, es wird von den Trainern sogar noch gefördert“, so Herstein weiter. „Bei den Damen gibt es das nicht.“ Der Coach räumt zwar ein, dass der Sport von Frauen bei weitem nicht so körperlich betrieben wird, gleichzeitig sei aber auch die Einstellung ein andere: „Es ist tatsächlich ehrlicher. Meine Spielerinnen laufen sogar noch weiter, wenn sie klar gefoult wurden“, so Herstein. „Wenn eine am Boden liegt, tut es auch richtig weh.“ Eric Siebecker, der neue Trainer der Obersülzer Verbandsliga-Damen, sieht das ähnlich. „Es wird weniger gemotzt und Schiedsrichterentscheidungen werden akzeptiert“, sagt der Coach, der davor auch Herrenmannschaften betreut hat. Siebecker verweist wie Herstein darauf, dass die körperliche Wucht im Männerfußball eine andere sei, will das aber nicht als Ausrede gelten lassen. „Was man da wöchentlich in der Bundesliga sieht, finde ich einfach nicht okay.“ Widerspruch aus dem Männer-Lager gibt es kaum. „Ganz unrecht hat Nagelsmann ja nicht“, sagt beispielsweise Manfred Boffo, Abteilungsleiter Fußball bei der TSG Eisenberg. „Beim Männerfußball ist dieses Verhalten eben auch dem ganzen Zirkus im Umfeld geschuldet. Und je höher man spielt, umso schlimmer wird es.“ In der A-Klasse, wo die Erste Mannschaft der Eisenberger aufläuft, macht Boffo das Problem eher nicht aus. Bei den Profis aber umso mehr: „Was da manchmal passiert, ist eine Katastrophe und ein schlechtes Vorbild für die Jugend.“

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