Grünstadt Festakt im Mainzer Spiegelsaal

Glückliche Fügung: Für Henrik Wietzke und zehn jugendliche Mitstreiter aus Rheinland-Pfalz wurde eigens ein Regionalgruppe Jugen
Glückliche Fügung: Für Henrik Wietzke und zehn jugendliche Mitstreiter aus Rheinland-Pfalz wurde eigens ein Regionalgruppe Jugendweihe gegründet. Hier zeigt er seine Urkunde und das Gedenkbuch.

Konfirmation oder Firmung ist ein großes Ereignis, ja ein Wendepunkt im Leben eines jungen Menschen. Da mittlerweile aber immer mehr Familien konfessionslos sind, gibt es eine Besinnung auf die Jugendweihe, die vielen als ein Relikt aus DDR-Zeiten erscheinen mag (siehe „Zur Sache“). „Diese Feier gibt es aber schon seit 1852, und sie geht auf freireligiöse Gemeinden zurück“, klärt die Sausenheimerin Simone Wietzke das Missverständnis auf. Sie hat eine Jugendweihe mitorganisiert, an der ihr Sohn Henrik als Einziger aus der Region teilnahm. Der 14-Jährige verrät, dass die Idee dazu in seinem Fall tatsächlich aus dem östlichen Teil der Bundesrepublik kam – nämlich von der Oma aus Thüringen, „weil das dort noch viele machen“. Mehr als ein Jahr lang haben die Wietzkes nach entsprechenden Angeboten im Westen gesucht. Durch Malin, ein befreundetes Mädchen aus Birkenfeld, das auch gern zur Jugendweihe gehen wollte, fanden die Sausenheimer schließlich eine Möglichkeit. Sie hätte über eine Regionalgruppe Jugendweihe Nordrhein-Westfalen in Bonn geführt, die an den Landesverband Jugendweihe Mecklenburg-Vorpommern angegliedert ist. Als das Angebot aufgetan wurde, gab es aber schon neun Interessierte aus Rheinland-Pfalz, sodass stattdessen eine eigene Regionalgruppe gegründet wurde. Die Feier fand in Mainz im Spiegelsaal des Kurfürstlichen Schlosses statt. Dabei waren schließlich elf Jungen und Mädchen mit ihren Angehörigen – insgesamt rund 100 Personen. „Uns ist die Zeremonie als Übergang zum Erwachsenwerden schon wichtig, und so eine Jugendweihe ist eine schöne Alternative zu Firmung oder Konfirmation“, meint Henriks Vater Mario. Die Wietzkes bildeten mit den anderen Eltern eine Whatsapp-Gruppe und organisierten als Vorbereitung auf die Jugendweihe monatliche Seminare für die Kinder. „Wir tauschten untereinander Ideen, was wir wo zu welchem Thema machen wollen und wer vielleicht jemanden kennt, den man für den einen oder anderen Kurs als Experten buchen kann“, berichtet Simone Wietzke. Mancher Referent habe sich ehrenamtlich zur Verfügung gestellt. Die größte Herausforderung sei es gewesen, Termine zu finden, an denen alle Zeit hatten. Herausgekommen ist schließlich eine ausgewogene Mischung an Aktionen. Henrik erzählt: „Wir waren zum Beispiel im Walderlebniszentrum Soonwald bei Bad Kreuznach. Dort hat uns ein Förster viel zu Natur- und Umweltschutz erklärt und wir haben auch übernachtet.“ In Kaiserslautern haben die Jugendlichen Verhaltens- und Benimmregeln bei einem Knigge-Coach gelernt und im Mainzer Landtag mit Abgeordneten diskutiert. „In der Gedenkstätte KZ Osthofen stellten wir mit einer selbst gestalteten Foto-Geschichte die wichtigsten Stationen im Leben der zwei einzigen Gefangenen nach, denen die Flucht gelungen ist“, sagt Henrik. Nachhaltig beeindruckt ist der Schüler, der die Klasse 8a des Leininger-Gymnasiums in Grünstadt besucht, von der Begegnung mit Kinder- und Jugendtherapeut Johannes Finck, der von seiner Arbeit als Seelsorger in der Jugendstrafanstalt Schifferstadt berichtete. „Er ist auch bei uns an der Grundschule Zellertal tätig, wo ich Lehrerin bin“, erläutert Simone Wietzke, wie der Kontakt zustandekam. Bei der Jugendweihe haben Henrik und Malin über die Seminare referiert. Für den Sausenheimer war das der erste Vortrag vor rund 100 Besuchern. Insgesamt sei das eine tolle Veranstaltung in großartigem Ambiente mit Livemusik der Bonner Rock- und Popband Perry Air gewesen, sagt der Vater. Sven Jesse vom Landesverband Jugendweihe Mecklenburg-Vorpommern hielt die Festrede. Die elf Hauptpersonen, alle schick gekleidet, waren wie Abiturienten zur feierlichen Übergabe ihrer Zeugnisse eingezogen. Sie erhielten Urkunden und als bleibende Erinnerung jeweils ein Gedenkbuch mit geballtem Allgemeinwissen. Kapitel sind zum Beispiel „Kirche und Staat getrennt“, „Klimawandel“, „Öko-soziale Marktwirtschaft“ und „Deutsches Schulsystem“. Henrik, der seit zehn Jahren Fußball und seit sechs Jahren Schlagzeug spielt, erzählt, dass er schon von Schulkameraden gefragt worden sei, wie man an der Jugendweihe teilnehmen kann. Sein kleiner Bruder Torben möchte auch so eine Feier mitmachen. Mit seinen elf Jahren muss er sich jedoch noch ein wenig gedulden. Das Angebot ist laut Simone Wietzke für 13- bis 16-Jährige. Im Netz www.jugendweiherlp.de.

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