Grünstadt Die Kesselfabrik als Dom

Mit allen Sinnen erleben, einmal abschalten und sich eine Stunde lang nur auf Musik und Licht einlassen – das boten Ute Kreidler und Alfred Wolski ihrem Publikum zusammen mit dem Tonmeister und Multimedia-Künstler Reinhard Geller am Mittwoch in der Alten Papierfabrik in Ebertsheim. Im Rahmen der Kulturwoche unter dem Titel „Von allen Sinnen“ konnten die Konzertbesucher Eindrücke sammeln, die sonst selten in dieser ausgewogenen und ausgefeilten Art zu haben sind.

Ort des Geschehens war das Kesselhaus der Papierfabrik, das durch seine Enge und gleichzeitig enorme Höhe, durch die alten Maschinen, Ketten und Flaschenzüge sowie die Treppen und Zugänge zu den Maschinen ein besonderes Flair hat. Auf der untersten Ebene neben dem Kessel waren die Stühle für die Zuhörer aufgereiht, über den Köpfen schwebten die Lichtobjekte von Alfred Wolski – und auch Ute Kreidler, die Melodien und Texte, die auf Hildegard von Bingen zurückgehen, sang und spielte. Wie passt die mittelalterliche Figur in ein stillgelegtes Kesselhaus? Durch die Nutzung der industriellen Architektur und der Akustik des Raums. Während Wolski sich darauf beschränken konnte, seine aus Metall und Glas gestalteten Kunst mit Hilfe von Strahlern in passender Geschwindigkeit zur Musik Effekte in den Raum zaubern zu lassen, fiel die Hauptrolle Ute Kreidler zu. Mit elektronischen Hilfsmitteln schuf sie mit ihren Instrumenten und ihrer Stimme ein vielfältiges Klangerlebnis. Fast bei jedem Stück sang oder spielte Kreidler Tonfolgen als Aufnahme kurz ein, legte diese Elemente dann in den Hintergrund, bevor sie live dazu die Texte von Hildegard von Bingen sang. Die Expertin für Alte Musik griff dabei auf ihre Harfen, aber auch auf Orgelpfeifen oder Flöten zurück. Der Hall im Kesselhaus und die elektronische Unterstützung sorgten für einen besonders eindrucksvollen Effekt. Kreidler überzeugte jederzeit. Sie wusste ganz genau, was sie da tat, sie kennt die Stimmungen, die sie erzeugte perfekt, setzt stets im rechten Augenblick das richtige Mittel ein. Die lateinischen Gesänge verschmolzen so perfekt mit den Lichtspiegelungen, die mit großer Ruhe durch das Kesselhaus und über die alten Industrieanlagen ziehen. Die Klang- und Lichtvisionen werden so zum Gesamtkunstwerk, das den Zuhörer auf eine spirituelle Art gefangen nimmt. Fast hat es den Anschein, das Publikum sitze in einer Kirche oder besser noch in einem Dom. Verhalten haben sich die Konzertbesucher auch entsprechend: Andächtig, zu klatschen trauten sie sich erst am Ende des Konzerts.

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