Grünstadt Demokratie-Kundgebung: So lief die Zweitauflage am Pfingstsamstag

Trotz Regen und Ferienbeginn versammelten sich die Menschen auf dem Schillerplatz.
Trotz Regen und Ferienbeginn versammelten sich die Menschen auf dem Schillerplatz.

Rund 700 Teilnehmer kamen am Pfingstsamstag auf dem Schillerplatz zusammen, um bei der zweiten Kundgebung für „Demokratie und Freiheit“ Flagge zu zeigen. Dazu aufgerufen hatte ein breites Aktionsbündnis aus Vereinen, Parteien und Kirchengemeinden aus Grünstadt und dem Leiningerland.

Freiheit, Demokratie, Toleranz, Respekt! Wie ein roter Faden zogen sich diese elementaren Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens durch die Beiträge der Redner. Trotz des Regens und des Ferienbeginns ließen es sich viele Teilnehmer – gleichwohl es weniger als noch bei der ersten Kundgebung im Februar waren – nicht nehmen, gegen jegliche Form von Extremismus, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit zu demonstrieren.

Ihm sei beim Termin für die Kundgebung die zeitliche Nähe zu den Europa- und Kommunalwahlen sowie zum 75. Jubiläum des Grundgesetzes am 23. Mai wichtig gewesen, um „wieder deutlich Flagge für unsere Demokratie zu zeigen“, sagte Organisator Pfarrer Andreas Funke, „denn nie wieder ist jetzt!“ Es dürfe nicht gezögert werden, „der Verächtlichmachung unserer Verfassung beharrlich und entschieden entgegenzutreten“.

Parallelen zur Nazi-Diktatur

In diese Richtung argumentierte auch der Landtagsabgeordnete Christoph Spies (SPD). Er erinnerte an Polen, wo vor der jüngsten Wahl versucht worden war, die Gewaltenteilung abzuschaffen, vergleichbar mit dem Ermächtigungsgesetz der Nazis von 1933. Daran knüpfte Historikerin Richarda Eich an, indem sie an die Anfänge der Nazi-Diktatur mit Fackelzug, Verhaftungen politischer Gegner und Diskriminierung der jüdischen Mitbürger in Grünstadt erinnerte: „Ich möchte solch eine Zeit nie mehr erleben.“

Sie habe Angst, fasste Sibylle Albrecht vom Naturkostladen Herrlisch ihre Empfindungen zusammen. Sie berichtete von massiven persönlichen Anfeindungen, weil sie sich gegen Fremdenfeindlichkeit eingesetzt habe. Sie habe durchweg positive Erfahrungen mit Kollegen mit Migrationshintergrund gemacht, die alle „eine Bereicherung für uns“ seien. Deshalb sei es wichtig, sich einzumischen und gegen extremistische Haltungen anzugehen, appellierte sie.

Die Gefahr des Schweigens

Dass die Demokratie durch eine schweigende lethargische Mehrheit in Gefahr ist, befürchtete der Verbandsgemeinde-Bürgermeister Frank Rüttger (CDU) und forderte: „Rechte Gesinnung darf nicht länger salonfähig sein.“ In diesem Zusammenhang verwies Rüttger auf die aktuellen Schmierereien in Obrigheim und eine AfD-Veranstaltung in Mertesheim. Dass Demokratie und Freiheit durchaus keine Selbstverständlichkeit seien, darauf wies der Carlsberger Pfarrer Julian Kraul hin. Er berichtete von seinen Erfahrungen mit einem Flüchtling aus Afghanistan. Wenn bei uns lebende und geborene Migranten Angst haben müssten, sei eine Grenze überschritten, so Kraul.

In einem leidenschaftlichen Beitrag erinnerte Nina Schneider vom Stadtsportverband an die Bedeutung des Sports als sozialer Integrations- und Inklusionsfaktor. Sie gab zu bedenken, dass die Fußballnationalmannschaft ohne Spieler Migrationshintergrund bedeutend schrumpfen würde.

Beispielhafte Integration

Beispielhaft für gelungene Integration war der Auftritt von Ammar Alsaied. Der 30-jährige Syrer kam 2015 mit der großen Fluchtbewegung übers Mittelmeer nach Deutschland. Er erzählte, dass er sich von Anfang an bemühte, Teil der Gesellschaft zu werden. Was ihm offensichtlich gelungen ist: Er agiert am Werkstatttheater Frankenthal als Mitglied im Vorstand und als Schauspieler und beherrscht mittlerweile den pfälzischen Dialekt. Seine demokratischen und freiheitlichen Rechte will er sich nicht mehr nehmen lassen. Und deshalb sieht er es als Pflicht für die Demokratie an, für die Freiheit einzustehen.

Auch vor der Bühne tummelten sich Menschen wie Waheedullah Yaqubi, dem der Einsatz seiner Mitmenschen gegen Rechtsextremismus viel bedeutet. Der 45-Jährige war in Kabul wegen seiner guten Englischkenntnisse unter anderem als Übersetzer bei der amerikanischen Botschaft angestellt gewesen. Nach der Machtübernahme der Taliban vor zwei Jahren kam er mit seiner Frau und den drei Kindern nach Kleinkarlbach. Sie alle hätten sehr gute Erfahrungen in ihrer neuen Heimat gemacht.

„Halte nicht den Mund“

Die 17-jährige Juliana Hamuko, die mit ihrer Mutter an der Kundgebung teilnahm, besucht die elfte Klasse der IGS Grünstadt. Ursprünglich aus dem Norden Syriens stammend lebt sie mit ihren Eltern und zwei Geschwistern seit zehn Jahren in Deutschland. Mit Hilfe der UN konnten sie das Land verlassen. Sie haben in Altleiningen ein Haus gekauft und mithilfe von Nachbarn renoviert. Auch sie seien „mit offenen Armen“ aufgenommen worden und hätten Unterstützung von der Liga (Leininger Initiative gegen Ausländerfeindlichkeit) erhalten, sagte Juliana. Manchmal aber höre sie rechtsextreme Sprüche von Mitschülern. Dann nehme sie offensiv Stellung dazu, denn sie halte nicht den Mund.

Dankbar äußerte sich Andreas Funke am Ende der Kundgebung. Das Konzept sei aufgegangen, vor der Wahl nochmals für die Freiheit und Demokratie friedlich und ohne Zwischenfälle zu demonstrieren.

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