Frankenthal Ukraine: Hilfsfahrten ins Kriegsgebiet

Die Versorgungslage in der Ukraine – hier ein verlassener Supermarkt in Mariupol – wird immer schwieriger.
Die Versorgungslage in der Ukraine – hier ein verlassener Supermarkt in Mariupol – wird immer schwieriger.

Die Hilfsbereitschaft für die Menschen in der Ukraine ist weiter riesig. Gaskocher, Konserven, Wasserkanister und andere überlebenswichtige Güter haben inzwischen ihren Weg in das Kriegsgebiet gefunden. Und es gibt immer weitere Transporte.

Mariupol, die belagerte Hafenstadt am Asowschen Meer, ist das Ziel einer Hilfsaktion des Frankenthaler Pfadfinderstamms Martin-Luther-King. Fünf Fahrzeuge, vollgepackt mit Spenden machen sich am 18. März am Dathenushaus auf in Richtung polnisch-ukranische Grenze. Der Plan: Ein Fahrer soll die Ladung entgegennehmen und über Lwiw in den Süden bringen. Auf dem Rückweg sollen Menschen, die vor dem Krieg in ihrer Heimat fliehen, nach Deutschland mitgenommen werden. Doch nicht alles klappt so, wie man sich das in der Pfalz vorab vorstellt, berichtet der stellvertretende Stammesführer Tim Schröder.

Die erste Überraschung kommt gleich beim Packen. Die Spendenbereitschaft der Frankenthaler war so groß, dass nicht alles in die Autos und Transporter passt. Die übriggebliebenen Dinge werden zwischengelagert im Diakonissenhaus. „Sicher ist, dass diese in die Ukraine sollen“, sagt Schröder. Um sicher zu gehen, dass die Fahrzeuge nicht überladen sind und unterwegs aus dem Verkehr gezogen werden, lässt das ehrenamtliche Team sie vor dem Start noch wiegen. Alles im grünen Bereich. 13 Stunden sind für die Strecke zur Grenze geplant. Alle drei Stunden wechseln die Fahrer, gegen 3 Uhr gibt es eine Schlafpause auf einem Rastplatz.

Dem Tod nahe

Kurz vor acht Uhr morgens sind die Pfadfinder an der Grenze, wo sie sich zwischen Polen und der Ukraine mit einem Sprinter treffen wollen. Doch der darf nicht raus aus der Ukraine, die Pfälzer dürfen nicht rein. So geht es zu einem Übergang 30 Kilometer nördlich. Dort haben die Frankenthaler Glück und dürfen in den gesicherten Bereich zwischen den beiden Grenzen. „Keine zehn Minuten später erreichte uns auch der Sprinter“, erinnert sich Schröder. 15 Minuten dauert das Umpacken, dann fährt der Sprinter vollgeladen Richtung Lwiw, wo die Hilfsgüter umgeladen und weiter nach Mariupol transportiert werden. „Die Hilfsgüter sind sicher angekommen“, teilt Schröder mit. Die Lage vor Ort sei kritisch – „viele flüchten auf eigene Faust aus der Stadt und sind dem Hunger- und dem Kältetod sehr nahe“.

In den Autos aus Deutschland ist jetzt Platz für 16 Passagiere. Sechs Menschen werden das Angebot am Ende nutzen. „Deutschland ist vielen einfach zu weit von der Heimat entfernt“, erklärt Schröder. „Viele hoffen, dass der Krieg in den nächsten Wochen beendet ist und sie dann wieder zurück in die Ukraine können.“ Zwei Familien, vermittelt durch einen Ukrainisch sprechenden Mitarbeiter der Stadtwerke Frankenthal, fahren mit Richtung Westen. Weil auf dem Spendenkonto noch Geld übrig ist – allein die Stadtwerke stellten laut Pfadfindern nicht nur die Fahrzeuge sondern bezuschussten die Fahrt mit 10.000 Euro für Sprit und Verpflegung – plane man bereits eine weitere Hilfsaktion für die Ukraine, kündigt Schröder an.

„Ihr seid die Besten!“

Viele Hände packen auch bei einer Aktion der Soroptimisten aus Frankenthal und Speyer an, Geschäftsleute spenden Geld, Dienstleistung und Waren, so dass schließlich ein 24-Tonner einer polnischen Spedition mit Hilfsgütern zu befreundeten Mitgliedern des Wohltätigkeitsclubs in Lwiw aufbrechen kann. Im Gepäck: Isomatten, Schlafsäcke, Erste-Hilfe-Sets, Hygieneartikel, medizinisches Material, Feldbetten, Powerbanks, Gaskocher und alles, was die Menschen auf der Flucht sonst noch brauchen können. Allein aus dem Zentrallager des Discounters Aldi in Ketsch können die Club-Schwestern haltbare Lebensmittel im Wert von 13.000 Euro abholen, wie Helga Stolz von den Frankenthaler Soroptimisten mitteilt. Die Pfadfinder vom Stamm Wangari Maathai aus Beindersheim, die Zelte, Wasserkanister, Decken, Gaskocher und Erste-Hilfe-Sets zur Verfügung stellen, helfen ebenso wie viele Mitglieder des Service-Clubs und andere Ehrenamtliche beim Organisieren der Fahrt und beim Beladen des Lastwagen.

Am 17. März, 20 Uhr, kommt dann die Nachricht aus Lwiw: „Hurra, alles ist angekommen. Ihr seid die Besten!“ Drei Tage später startet die Verteilung der humanitären Hilfsgüter aus der Pfalz, wie die ukrainische Soroptimistin Nataliya schreibt. „Wir sortieren die Ladung und geben sie an Krankenhäuser, Flüchtlinge (in Lwiw gibt es bereits 400.000), an Geburtshäuser, Kinderkrankenhäuser und an das Militär (Schlafsäcke, Zelte, Decken, Lebensmittel)“, heißt es in ihrer E-Mail. In der Stadt gebe es viele Kinder aus Waisenhäusern aus dem Osten. Außerdem bringe man die Waren in andere Städte, in denen die Lage kritisch sei.

Schlafsäcke und Spielzeug

Spenden sei in dieser bedrückenden Situation die einzige Möglichkeit, irgendetwas für die Menschen im Kriegsgebiet zu tun. Das hören Christiane May, Leiterin der Wölflings- und Jungpfadfinderstufe im DPSG-Stamm St. Jakobus-Pilgerpfad, und ihre Mitstreiter bei ihrer Aktion immer wieder. Die Pfadfinder sammeln am 10. und 12. März Hilfsgüter für die Ukraine. „Die Sachspenden sind für die ausgebombten, obdach- und hilflosen Opfer in der Ukraine bestimmt“, schreibt May.

Initiiert hat die Aktion der ehemalige Vorstand des Stammes, der Frankenthaler Lehrer Stefan Schreiner, der sechs Jahre lang an einer deutschen Schule in Kiew unterrichtete. „Als durch die Medien über das Elend und die Not der ukrainischen Bevölkerung aufgrund des anhaltenden Staatsterrors berichtet wurde, hat er umgehend im hiesigen Pfadfinderstamm zahlreiche helfende Hände gefunden, um alles Notwendige für eine Sachspendenaktion zu organisieren“, teilt May mit. Neben den Frankenthalern habe sich auch der DPSG-Stamm Fridtjof Nansen aus Kaiserslautern beteiligt. Wasserflaschen und Getränken, Konservennahrung, Hygieneartikel aller Art, Schlafsäcke und Isomatten, Babyartikel, Kinderspielzeug und Verbandsmaterial werden in Kisten verpackt, damit die Hilfsgüter über die polnische Grenze in die Ukraine transportiert werden können. Ein Anhänger und vier volle Autos sind es am Ende.

In die belagerte Hafenstadt Mariupol ging ein Hilfstransport der Pfadfinder vom Stamm Martin-Luther-King. Hier die Ehrenamtliche
In die belagerte Hafenstadt Mariupol ging ein Hilfstransport der Pfadfinder vom Stamm Martin-Luther-King. Hier die Ehrenamtlichen nach der Übergabe der Hilfsgüter im Grenzbereich zwischen Polen und der Ukraine
Zu befreundeten Club-Schwestern nach Lwiw schickten die Soroptimisten einen Lastwagen voller Hilfsgüter.
Zu befreundeten Club-Schwestern nach Lwiw schickten die Soroptimisten einen Lastwagen voller Hilfsgüter.
Große Spendenbereitschaft erlebten auch die DPSG-Pfadfinder im Pilgerpfad.
Große Spendenbereitschaft erlebten auch die DPSG-Pfadfinder im Pilgerpfad.
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