Frankenthal Freie Plätze sind Mangelware

Die Gelegenheit zum Gedankenaustausch bei Pro Seniore nutzten auch Bürgermeister Andreas Schwarz (SPD, links) und der Vorsitzend
Die Gelegenheit zum Gedankenaustausch bei Pro Seniore nutzten auch Bürgermeister Andreas Schwarz (SPD, links) und der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Christian Baldauf (rechts).

„5 vor 12“ – unter diesem Motto stand am Freitag ein offenes Treffen vor den Türen der Pro-Seniore-Residenz Frankenthaler Sonne zum Internationalen Tag der Pflegenden. Wie behauptet sich das größte Pflegeheim der Stadt? Gut, sagen übereinstimmend die Leitung und der Heimbeirat.

Wie mehrfach berichtet, wurden im März und April Missstände beim Altera-Seniorenheim in der Schraderstraße bekannt. „Das hat die Heimbewohner bei uns nicht beunruhigt. Sie fühlen sich in der Pro-Seniore-Residenz gut aufgehoben“, erklärt Dieter Müller, Vorsitzender des siebenköpfigen Heimbeirats. Einziger Kritikpunkt der Bewohner sei der häufige Personalwechsel der Pfleger. Aus der Sicht der Heimleiterin Monika Koßmehl gibt es bei Pro Seniore jedoch keine häufigen Personalwechsel. „Wir verfügen über langjähriges Stammpersonal. Einige Mitarbeiter sind seit über zehn Jahren bei uns beschäftigt, eine Kollegin sogar schon 30 Jahre.“ Mit Blick auf Altera, wo die Personalausstattung einer der Kritikpunkte der Behörden war, sagt sie: „Wir haben keinen Pflegenotstand.“ Laut Koßmehl sind in der Pro-Seniore-Residenz derzeit sogar sechs Vollzeitpflegekräfte mehr beschäftigt, als nötig wären. „Wir gehören zu den wenigen Heimen, die gut besetzt sind.“ Für die aktuell 143 Bewohner der Pflegezimmer und die 80 Bewohner der Appartements mit betreutem Wohnen seien insgesamt 117 Mitarbeiter in Voll- und Teilzeitarbeit im Einsatz. Freiberufler gebe es keine, „alle sind fest angestellt“, erklärt die Heimleiterin. Dies sei wichtig, um die Kontinuität bei der Pflege alter Menschen zu gewährleisten. „Denn wir sind die Familie der Heimbewohner. Nur wer sie heute und morgen betreut, ist mit ihnen vertraut und entwickelt ihnen gegenüber Verantwortungsgefühl.“ Zur Qualifikation des Heimpersonals sagt Koßmehl: „Wir beschäftigen zu 51 Prozent Pflegefachkräfte, die eine dreijährige Ausbildung absolviert haben.“ Die restlichen 49 Prozent bestünden aus Pflegekräften mit einer einjährigen Ausbildung zum Altenpflege- oder Krankenpflegehelfer. Zum Hintergrund: Vorgeschrieben ist eine Fachkräftequote von 50 Prozent. Als die unzulängliche Betreuungssituation bei Altera hohe Wellen schlug, seien ihre Heimbewohner und deren Angehörigen nicht besorgt gewesen. „Doch in dieser Zeit stand bei uns das Telefon nicht still. Im Fünf-Minuten-Takt haben Angehörige von Altera-Bewohnern angerufen und sich nach freien Plätzen bei uns erkundigt.“ Freie Plätze gebe es bei Pro Seniore derzeit keine, sagt Koßmehl. Es gebe eine Warteliste von zehn Anwärtern, Tendenz steigend. Die Wartezeit auf einen Platz im betreuten Wohnen beziffert sie auf zwei Jahre, im Vollpflegebereich auf ein halbes Jahr. „Frankenthal ist dicht“, beurteilt sie die Auslastung der fünf Pflegeheime in der Stadt – Hieronymus-Hofer-Haus, Haus Edelberg, Caritas-Altenzentrum Heilig-Geist, Pro Seniore und Altera. Nachdem Altera negative Schlagzeilen gemacht hat, seien ihre Pfleger übermäßig vorsichtig geworden. „Als bekannt wurde, dass die Armfraktur einer 92-jährigen Altera-Bewohnerin tagelang nicht erkannt wurde, fragten sich unsere Mitarbeiter: ,Kann das bei uns auch passieren?’“, berichtet Koßmehl. Die Pfleger hätten sich selbst unter Druck gesetzt, alles mehr als nötig dokumentiert. „Ich musste die Pfleger runterbringen. Ich habe ihnen gesagt: Ihr seid gut, und jeder Mensch kann Fehler machen.“ Die Frage nach den Nationalitäten beim Pflegepersonal von Pro Seniore beantwortet die Heimleiterin so: „Ein Drittel bis ein Viertel sind deutsche Pfleger. Die Mehrheit hat ausländische Wurzeln und kommt aus insgesamt elf Ländern.“ Dies beeinträchtige die Qualität der Pflege nicht. „Gute Pflege bemisst sich nicht daran, wie gut jemand deutsch spricht.“ Mit der Ausbildungssituation in ihrem Haus ist sie mehr als zufrieden: „Wir haben 30 Auszubildende. Andere Einrichtungen dieser Größe haben nur zehn Azubis.“ Darunter gebe es vier Personen in Erstausbildung, die übrigen visierten den Pflegeberuf im zweiten oder dritten Berufseinstieg an. Beim offenen Treffen, zu dem der Sozialdezernent Andreas Schwarz (SPD) und der CDU-Fraktionschef im Mainzer Landtag, Christian Baldauf, vorbeischauten, sprach Koßmehl die aus ihrer Sicht unzulängliche medizinische Versorgung der Heimbewohner seitens der Fachärzte an. Das Heim verfüge über keine eigenen Ärzte, was üblich sei. Wer eine medizinische Behandlung benötige, müsse den beschwerlichen Weg in eine Praxis auf sich nehmen. Fachärzte schauten nur alle paar Wochen nach ihren Patienten. Lediglich zwei Frankenthaler Ärzte hätten Kooperationsverträge abgeschlossen und ließen sich öfter blicken. Zum Hintergrund: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat vor zwei Jahren mit den Krankenkassen neue Regelungen zur Vergütung der ärztlichen Betreuung von Heimbewohnern vereinbart. Ärzte mit einem Kooperationsvertrag können die Hausbesuche im Heim einfacher abrechnen und sind dadurch in Pflegeheimen stärker präsent.

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