Frankenthal Erinnerung an verfolgte Frankenthaler

Nach 2005 und zwei Aktionen 2006 hatte der Förderverein für jüdisches Gedenken zur vierten Verlegung von Stolpersteinen zum Gedenken an Verfolgte des Nazi-Regimes eingeladen. Mit elf neuen Steinen hat der Kölner Bildhauer Gunter Demnig damit insgesamt 61 Steine in Frankenthal verlegt. Ein Betonquader mit beschrifteter Messingplatte kostet 120 Euro.

Urlaubszeit und Regenwetter mögen der Grund für die geringe Resonanz am Montag gewesen sein. Neben Mitgliedern des Fördervereins und Vertretern der Stadt nahmen nur neun Personen am Marsch von Station zu Station teil. Darunter mit Richard Thomas und seiner dreizehnjährigen Tochter Laura Gäste aus England und Nachfahren des Rechtsanwalts Richard Mann. Gut vorbereitet, professionell und zügig arbeitete der Bildhauer Gunter Demnig, ihm zur Seite stand Andreas Eisler vom städtischen Eigen- und Wirtschaftsbetrieb (EWF). Demnig hatte 2003 die ersten Stolpersteine verlegt – heute sind es nach seiner Aussage rund 48.000. Die Motivation des 67-Jährigen: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Die Stolpersteine sollen gedanklich zum Stolpern, Haltmachen, Nachdenken und Erinnern anregen. Und zwar, so OB Theo Wieder (CDU), an Familien, die zum Teil über viele Generationen hier gelebt und gearbeitet, das Leben der Stadt mitgestaltet hatten und allein wegen ihrer Religion vertrieben wurden. Wieder erinnerte an Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Dies sollte im Alltag gelebt und nicht relativiert werden, sagte er mit Blick auf die aktuelle Diskussion um Flüchtlinge. Wer gedanklich anderen Menschen Würde abspreche, der sei schon dabei, den nächsten Schritt vorzubereiten und sei „nicht weit weg von den Prozessen, die dazu geführt haben“, in Deutschland eine Schreckensherrschaft zu errichten. An jeder Station wurde nach der Verlegung an die Schicksale erinnert. Im Foltzring 15 sind es jetzt drei Steine – gestiftet von einer anonymen Spenderin – für den Augenarzt Ernst Rahlson, seine Frau Anna und den Sohn Erich. Rahlson bekam 1938 Berufsverbot, 1944 wurde er mit 73 Jahren im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet. Seine katholische Frau Anna starb 1939 an den Folgen der ständigen Demütigungen. Sohn Erich floh 1939 in die USA, nach 1945 besuchte er mehrmals Frankenthal. In der Gartenstraße 11 erinnern sechs Stolpersteine an die sechsköpfige Familie des Kantors und Predigers Heinrich Schottland, der mit seiner Familie 1938 in die USA emigrierte. Jeweils drei Steine stiftete die Zwölf-Apostel-Kirchengemeinde, drei Gerhard Groß aus Heßheim, der „die positive Erinnerung an Menschen und Schicksale, die unter der Barbarei zu leiden hatten, gut findet“. Zwei Steine gab es in der Westlichen Ringstraße 9 für den Rechtsanwalt Richard Mann und Sohn Friedrich – beide emigrierten nach England. Ehefrau Anna war laut dem Vorsitzenden des Fördervereins, Herbert Baum, 1936 nach fast 20 Jahren psychischer Krankheit in einem Sanatorium gestorben. Weil sie also einen natürlichen Tod erlitt, gab es für sie keinen Stein, nennt Baum die strengen Richtlinien Gunter Demnigs. Allerdings bekam auch Annas Schwester und Lebensgefährtin Richard Manns keinen Stein. Die Steine stifteten die Flomersheimer Familie Weiß und ein Nachfahre, David Mann, bei einem Besuch in Frankenthal vor drei Jahren. Am Montag war Richard Thomas – ein Ur-Urenkel von Richard Mann – mit seiner 13-jährigen Tochter Laura zu Gast und durfte das Haus auch von innen sehen. Die Stolpersteine sehe er als Verbindung zwischen ihm und Deutschland, sagte er. Richard Thomas und seine Familie haben seit einem Jahr neben der britischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft, nachdem er erfahren hatte, dass laut Grundgesetz die Nachfahren der ab 1933 ausgebürgerten Deutschen ein Anrecht auf die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Thomas erklärt diesen Schritt damit, dass „die englische Politik immer nationalistischer“ werde und sich von Europa entferne. Er jedoch wolle Europäer bleiben. Inzwischen lernt die vierköpfige Familie fleißig Deutsch und hat sich in Berlin eine Wohnung gekauft. (cei)

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