Frankenthal „Bitte nicht verkehrt rum aufhängen“

Pionier der Fluxus-Bewegung: Tomas Schmit Anfang der 1960er-Jahre bei seiner Performance mit Wasserflaschen, die ihn bekannt mac
Pionier der Fluxus-Bewegung: Tomas Schmit Anfang der 1960er-Jahre bei seiner Performance mit Wasserflaschen, die ihn bekannt machte.

Tomas Schmit, der sich von Geburt an eigentlich Thomas Schmidt schrieb, gehörte zu Beginn der 1960er-Jahre zu den Pionieren der Fluxus-Bewegung. Bald wandte er sich von dieser avantgardistischen Kunstrichtung aber ab und beschäftigte sich mit dem Verhältnis von Bild und Sprache. Unter dem Titel „bald ist wieder schneckentreffen“ stellt das Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen nun Zeichnungen des 2006 verstorbenen Künstlers aus.

Bekannt wurde Tomas Schmit in Fluxus-Kreisen mit seiner Performance „zyklus für wassereimer (oder flaschen)“. Dabei wurde Wasser in einer Reihe von Gläsern oder Flaschen immer wieder umgefüllt, bis es verdampft oder verschüttet war. Die Aktion konnte sich über Stunden hinziehen und war bei Fluxus-Veranstaltungen sehr beliebt. Dem damals 20-jährigen Rheinländer ging es weniger um das fertige Werk als um die dahinterstehende Idee. Von dem befreundeten Videokünstler Nam June Paik war er dem Fluxus-Gründer George Maciunas vorgestellt worden. Schon während der frühen Fluxus-Jahre interessierte Schmit sich brennend für Sprache und Zeichentheorie, insbesondere für den Zusammenhang von Bild und Wort. Ein anschauliches Beispiel dafür in der Ausstellung ist eine Zeichnung, die von einem kleinen Stückchen Brot ausgeht. Das reale Brot wird von einer gemalten Schnitte Brot abgelöst und dann durch das Wort „Brot“ ersetzt. Dieses wiederum wird von einem großen B mit rotem Punkt abgelöst und bildet so eine Art Rebus. Am Ende steht mit einem roten B das reine Zeichen und damit die vollkommene Abstraktion. Auch auf anderen Zeichnungen bildet Schmit solche Rebusse, Kombinationen aus Schrift- und Bildzeichen: etwa in „Kno-blau-ch“, wo der Wortbestandteil „blau“ durch eine blaue Blase vor einem Mund vertreten wird, oder, sehr raffiniert, in „Ku-gelb-litz“ mit einem gelben Kreis in der Mitte. Zu Lebzeiten war Schmit ein anerkannter Künstler. Inzwischen ist er ein wenig in Vergessenheit geraten. 1977, als er sich schon lange von der Fluxus-Bewegung abgewandt hatte, nahm er an der Kasseler documenta teil. Er hatte in den 1990er-Jahren Ausstellungen unter anderem in New York und im Frankfurter Portikus. 2007, ein Jahr nach seinem Tod, stellte ihn das Kölner Museum Ludwig aus. Die Ausstellung im Wilhelm-Hack-Museum präsentiert nun rund 120 Zeichnungen des 1943 in Wipperfürth im Bergischen Land geborenen und 2006 in Berlin gestorbenen Künstlers. Die Ludwigshafener Ausstellung war zuvor in Norddeutschland in der Kunsthalle Lingen und im Kunstverein Bremerhaven zu sehen. Vielleicht hat Schmit an der Fluxus-Bewegung besonders deren Tendenz zum Gag angezogen. Offenbar hatte er viel Humor, manchmal freilich auch einen etwas kauzigen. Außerdem verrätselte er gern seine Werke und liebte es, mit der Wahrnehmung des Betrachters zu spielen. Davon zeugt die Zeichnung von 1996, die der Ausstellung den Titel gegeben hat: „bald ist wieder schneckentreffen“ mit zwei aneinander vorüberziehenden Tieren, die sich knapp verfehlen. Schon 1966 hat Schmit ans Absurde grenzende Spielereien geschaffen. So teilt etwa eine Notiz dem Leser mit: „bitte versuchen Sie, diesen Zettel nicht zu lesen!“ Ein Ding der Unmöglichkeit auch die Frage: „was ist das zeichen für kein zeichen?“ Oder seine Bitte, die er auf alle vier Kanten einer Zeichnung geschrieben hat: „bitte nicht verkehrt rum aufhängen!“ Apart ist auch eine Anspielung auf Kasimir Malewitschs Revolutionierung der Kunstgeschichte durch sein schwarzes Quadrat, die in einen Zusammenhang mit der Frage gerückt wird, wie etwas darstellbar ist, was eigentlich nicht wahrnehmbar ist. In einer Reihe von Zeichnungen mit seinem Lieblingstier, dem Chamäleon, das der Rätsel und Verstellung liebende Künstler wohl als Artverwandten angesehen hat, stellt Tomas Schmit zu einem schwarzen Quadrat die erklärenden Worte: „So sieht ein Chamäleon aus.“ Das nächste Bild ist ein weißes Quadrat mit den Worten: „Wenn wir es übertrieben, sähen wir es so.“ Und das letzte Bild stellt ein grünes Chamäleon auf einem Ast zwischen grünen Blättern dar und dazu die Worte: „Aber man soll ja nichts übertreiben, also sehen wir es so.“ Manchmal erübrigt sich auch ein Kommentar, und es empfiehlt sich dann, einfach Tomas Schmits Rat zu beherzigen: „nicht immer alles dazusagen.“ Er selbst freilich hat sein Werk ausführlich kommentiert, wovon in der Ausstellung vier Textbände zeugen. Außerdem hat er ein Buch über Wahrnehmungstheorie mit dem Titel „erster entwurf (einer zentralen ästhetik)“ hinterlassen. Eine Seite des Manuskripts von 1989 ist in der Ausstellung aufgeschlagen. Termine Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen bis 17. September. Geöffnet Di, Mi, Fr 11-18 Uhr, Do 11-20 Uhr, Sa, So 10-18 Uhr.

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