Donnersbergkreis Halbfinale – auch ohne „Krabbi“ und Gewitter

So viel Zeit muss hier jetzt auch mal sein: Der Bauch bedankt sich bei den vielen, vielen RHEINPFALZ-Lesern, die ihm alles Gute für seinen 3:2-Tipp gegen Frankreich gewünscht haben. Danke. Das hat dem Bauch gut getan. Zumal er doch ein etwas mulmiges Gefühl unmittelbar vorm Spielbeginn hatte. Grund: eine Spinne. Genauer gesagt eine weiße Krabbenspinne, die „Frau Bauch“ am ersten Spieltag der Deutschen in einem Margeriten-Stock auf der heimischen Terrasse entdeckt hat. Unüberhörbar entdeckt hat. Nach dem markerschütternden Schrei folgten erst flehentliche Bitten, dann nachdrückliche Aufforderungen, schließlich Erpressungsversuche: „Mach’ des eklische Vieh kaputt, sunscht…“ Doch der Bauch blieb standhaft. Denn erstens fängt die an den Blüten kauernde Krabbenspinne lästige Insekten weg. Und zweitens könnte die weiße Spinne ein Zeichen sein – ein Glücksbringer für unsere WM-Kicker. „Spinnen am Abend, erquickend und labend“, lautet doch ein altes Sprichwort. Und: Jedes Mal, wenn die Deutschen gespielt haben, lag auch „Krabbi“ auf der Lauer. Und Jogis Jungs haben so auch nie verloren. Aber: Nach dem Zittersieg gegen Algerien war Krabbi plötzlich verschwunden. Gut, in den Tagen vor der Partie war schließlich auch WM-Pause. Vielleicht hat sie sich – wie Per Mertesacker nach dem Algerien-Spiel in dem aufsehenerregenden Interview mit ZDF-Reporter Boris Büchler angekündigt hatte – ebenfalls drei Tage lang in die Eistonne legen müssen. Als sich Krabbi aber dann beim Singen der Nationalhymne immer noch nicht hat blicken lassen, beschlich den Bauch eine ungute Vorahnung. Von dieser Spinnerei hat das Lexikon nichts geahnt. Zum Glück. Denn auch er ist empfänglich für Omen – insbesondere für schlechte. Auf die stürzt sich der Zweck-Pessimist sozusagen wie die Spinne im Netz auf ihre Opfer. Hätt’ er von Krabbi gewusst, hätte er garantiert statt auf ein Unentschieden nach 90 Minuten auf einen klaren Sieg für Frankreich getippt. Das Lexikon war sich ja so schon sicher, dass das nichts werden kann. Obwohl es im Vorfeld alles dafür getan hat, das Glück doch zu zwingen: Erstens hat es das gegen Algerien wieder ausgepackte, ungewaschene Deutschland-Trikot auch fürs Viertelfinale übergestreift. Zweitens haben sich die „Lexika“ von einer befreundeten Familie aus Dörnbach zum Fußballschauen einladen lassen. „Dort hammer es EM-Halbfinale 2008 – 3:2 gege die Türkei – unn de 4:0-Sieg gege Argentinie im Viertelfinale 2010 geguckt. Jedesmol hotts Gewitter gebb, jedesmol war zwischedrin es Bild weg – unn jedes Mol hann mer gewunn“, bekommt der Bauch mal wieder (ungefragt) Einblicke in die Lexikon-Mediathek. Das „gute“, sprich regnerische und düstere Wetter zu Spielbeginn hat dem Lexikon dann doch ein bisschen Hoffnung gemacht. Als aber im Laufe des Spiels weder das Gewitter noch der Bildausfall gekommen ist, hat das Lexikon die komplette zweite Halbzeit nur darauf gewartet, dass das Unvermeidbare passiert: das Ausgleichstor. Genauer gesagt: Er hat vollkommen stumm darauf gewartet. Denn dasselbe Lexikon, das bei seinen Tipp-Erläuterungen redet wie ein Buch, verhält sich während Spielen umgekehrt proportional: je nervenaufreibender die Partie, desto wortkarger das Lexikon. Es leidet still vor sich hin. Gegen Frankreich hat’s ab Minute 70 gar nicht mehr gesprochen. Zur Freude übrigens der Lexikon-Gattin bei ihrer ganz speziellen Spielanalyse: „Des war mol so richtig entspannend.“ Das Lexikon selbst – in der zweiten Halbzeit nicht einmal mehr ein Taschenbuch – findet das gar nicht lustig. „Ich hab’s aus johrelanger Erfahrung genau gewisst: Korz vor Schluss krieht de Gegner nochmol e Riese Chance. Mer derf sich nie zu frieh frää. Wääsche noch 1990, wu de FCK im Pokal-Endspiel zur Halbzeit schun 3:0 gege Breme gführt und sich am End mit 3:2 grad so ins Ziel gezittert hott...“ Das Lexikon ist wieder zum Leben erwacht – der Bauch schaltet auf Durchzug. Er lässt lieber die Paraden Neuers an seinem inneren Auge vorbeiziehen, die Zweikämpfe von Boateng und Hummels, der große Kampf der deutschen Elf. Der Fleeschkischelsche-Auftritt von Özil wird erfolgreich verdrängt. Und Krabbi heißt jetzt Mertesacker. Der war auch nur bis zum Algerien-Spiel dabei. Außerdem: Das alte Sprichwort „Spinnen am Abend, erquickend und labend“ bezog sich nicht auf das Spinnentier, sondern auf die Tätigkeit am Spinnrad. Denn wer erst abends spinnen musste, tat dies nicht für den Broterwerb, sondern als Freizeitbeschäftigung. Und der hatte dann auch genug zu essen. Dem ging es gut. Wie dem Bauch heute. Auch ohne Krabbi. Die hat sich offensichtlich vom (Mertes-)Acker gemacht. Aber wen interessiert’s? Den Bauch nicht (mehr). (lor)

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