Donnersbergkreis „Für den IS sind demokratische Muslime Todfeinde“

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EISENBERG. Nach den Terroranschlägen von Paris könnte man die Schmierereien an einer Brücke zwischen Eisenberg und Kerzenheim, in denen der Islamische Staat (IS) verherrlicht wird (die RHEINPFALZ berichtete), in einem anderen Licht sehen: Was erst „nur“ ein Dumme-Jungen-Streich schien, hat jetzt durchaus etwas Bedrohliches. Wie aber sehen dies Muslime in Eisenberg und Umgebung selbst? Wir haben mit Ender Önder, dem Vorsitzenden des Türkisch-Deutschen Unternehmerverbands gesprochen, der außerdem noch SPD-Stadtratsmitglied in Eisenberg ist.

Herr Önder, kürzlich gab es die IS-Schmierereien in Eisenberg, jetzt verübt eben jene Organisation einen Terrorakt in Paris. Verstehen Sie, wenn die Menschen nun um ihre Sicherheit besorgt sind und machen Sie sich selbst Sorgen – schließlich kann es Muslime wie Nichtmuslime gleichermaßen treffen?

Ich hoffe, dass die IS-Schmierereien in Eisenberg keinen ernsten Hintergrund haben und es sich nur um eine dumme Aktion von Jugendlichen handelt. Jetzt ist es die Aufgabe des Staates, die Täter zu finden. Die zuletzt verübten Terroranschläge machen die Menschen, auch mich, um ihre Sicherheit natürlich besorgt. Eigentlich ist das Leben ein Geschenk Gottes. Niemand hat das Recht, es anderen zu nehmen. Die Angriffe in Ankara, Beirut und zuletzt in Paris wurden geplant, um das Fundament unser Gesellschaften zu erschüttern. Sie sind ein Angriff auf unseren Zusammenhalt und unsere Menschlichkeit, auf unsere Toleranz, Freiheit und unseren Respekt. In den letzten Monaten starben viele Zivilpersonen, die Muslime wie Nicht-Muslime waren. Diese schreckliche IS-Terrororganisation kennt keine Religion. Kann man angesichts solcher Ereignisse solche Schmierereien als Dumme-Jungen-Streiche abtun oder gibt es tatsächlich verbreitete Sympathien für die Taten des IS bei jungen Muslimen? Ich hoffe, dass diese IS-Schmiererei ein Dumme-Jungen-Streich bleibt. Wie die Staatsanwaltschaft ermittelt hat, gibt es einzelne Personen im Donnerbergkreis, die IS-Sympathisanten sind. Wiederum ist es die Aufgabe des Staates, diese zu überwachen. Für die Taten der IS gibt es keine Sympathien der jungen Muslime. Über 99,9 Prozent der Muslime lehnen den IS ab. Der IS betrachtet die demokratischen Muslime von Deutschland als Todfeinde. Allerdings müssen wir uns endlich darüber bewusst werden, wie gefährlich die extremistischen Salafisten sind. Dieses Problem betrifft uns direkt, es gefährdet die innere Sicherheit. Es ist wichtig, dass wir unsere Kinder vor der salafistischen Gesinnung und dem extremistischen IS beschützen. Dazu gehört vor allem auch die präventive Arbeit, um Kinder, Jugendliche, aber auch Lehrer, Eltern und Großeltern zu informieren und zu sensibilisieren. Wir dürfen die Gefahr durch die Salafisten, Extremisten und IS-Terroristen nicht unterschätzen. Es ist dringend notwendig, dass die Seiten von Salafisten verboten werden. Gerade Facebook dient ihnen als ein Netzwerk, Kommunikationsmittel und Propagandaplattform und wird zur Rekrutierung von Jugendlichen missbraucht. Wäre es jetzt nicht an der Zeit, dass die Muslime in Deutschland, die solchen Terror ablehnen, ein starkes Zeichen dagegen setzen, etwa durch Demonstrationen? Die wichtigsten muslimischen Verbände in Deutschland haben unmittelbar nach dem Terroranschlag in Paris mit bundesweiten Aktionen wie Pressemitteilungen, Kundgebungen und einer Mahnwache vor der französischen Botschaft in Berlin ein starkes Zeichen gegen Terror gesetzt. In den sozialen Netzwerken haben muslimische und nichtmuslimische Persönlichkeiten ihre Anteilnahme ausgedrückt. Ich gehe davon aus, dass die Verbände, wie in der Vergangenheit, in verschiedenen Großstädten Demonstrationen organisieren werden unter dem Motto „Gemeinsam für Frieden und gegen Terror“. Verändert der Terror des IS das Zusammenleben zwischen Muslimen und Nichtmuslimen auch in Eisenberg? Das Zusammenleben hat sich nicht verändert. Die hier lebenden Muslime sind rechtstreu und friedlich. Der IS-Terror hat mit dem Islam nichts zu tun, und viele Moslems distanzieren sich von dieser Terrororganisation. Im Koran steht folgendes: „Wenn jemand einen Menschen tötet, so ist es, als hätte er die ganze Menschheit getötet; und wenn jemand einem Menschen das Leben erhält, so ist es, als hätte er der ganzen Menschheit das Leben erhalten.“ Befürchten Sie, dass es zu einer Trennung innerhalb der Gesellschaft kommen und sich das Verhältnis von Muslimen und Nichtmuslimen verschlechtern könnte? Nein. Wir leben seit über 50 Jahren in Deutschland und kennen unsere Tradition sehr gut. Die jüngsten Ereignisse mit Schmierereien an einer Brücke und die IS-Sympathisanten haben tatsächlich Auswirkungen auf die Einstellung der Menschen. Wir sollten dem aber nicht mehr Achtung schenken, als es wert ist. Doch auf der anderen Seite erlebe ich die Debatten um Pegida und die Wortäußerungen zum Terroranschlag in Paris oder zu Syrien sehr differenziert. Große Teile der Bevölkerung wenden sich gegen Pegida und sagen: Ressentiments haben in unserer Gesellschaft keinen Platz. Und nach den Ereignissen in Paris betonten viele, dass islamistischer Terror nicht mit dem Islam gleichzusetzen ist. Gab es schon Anfeindungen in Eisenberg gegenüber muslimischen Bürgern? Bis dato nicht, zumindestens ist mir nichts bekannt. Besonders in Eisenberg wird dieses Thema in verschiedenen Kreisen behandelt. Ich möchte zum Beispiel auf den Gesprächskreis „Tacheles“ oder auf die Initiative „Eisenberg ist bunt“ aufmerksam machen. Seit Jahren wird ein sehr guter Dialog zwischen Moslems und Christen geführt, und es sind gute Freundschaften entstanden. Wie gehen Sie persönlich mit der Problematik um, was sind Ihre Anstrengungen? Mit dieser Problematik gehe ich sehr offen um, da ich Bundes- und Landesprojekte hinsichtlich der Integration verwirkliche. Als Vorsitzender eines Unternehmerverbandes und als Kommunalpolitiker bemühe ich mich sehr, diese Problematik offen anzusprechen. In der Vergangenheit haben wir im Stadtrat über dieses Thema diskutiert und nach Lösungen gesucht. Mir liegt es sehr am Herzen, dass die in Deutschland lebenden Muslime ihren Platz in unserer Mitte finden und anerkannte Mitglieder unserer Gesellschaft werden. Es sollte dabei keineswegs eine Assimilation unter Preisgabe ihrer kulturellen, ethnischen und religiösen Identität erfolgen. Ich erwarte aber, dass sich Zuwanderer muslimischen Glaubens wirklich um Integration bemühen. Integration kann und darf keine Einbahnstraße sein. Sie verlangt Anstrengungen von beiden Seiten. In erster Linie stehen die Zuwanderer selbst in der Pflicht, sich um Eingliederung zu bemühen. (Archivfoto: privat) Interview: Timo Leszinski und Joerg Schifferstein

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