Donnersbergkreis Die Nationalhymne auf der Tuba

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WINNWEILER. Oh, kann der tatsächlich böse gucken? „Natürlich nicht“, entgegnet Roland Vanecek fast entrüstet auf die vorsichtige Frage, ob das Ensemble vielleicht heimlich geübt habe. Nein, Vorgaben fehlten ebenso wie jegliche vorab vereinbarte taktische Finesse. So hat es sich halt ergeben, dass Vanecek und seine musikalischen Mitstreiter beim Konzerterlebnis „Mini-Woodstock“ auf der Eisenschmelz die deutschen Elite-Kicker mit Themen von Jim Morrison und Stevie Wonder zum Sieg begleitet haben.

Die Analyse nach dem Fußball-Krimi fällt klar aus: Der Musikantenland-Preisträger und seine Kollegen haben am Samstagabend um einiges flotter agiert als „Jogis Jungs“. Nicht nur, weil die Partie bis zur deutschen Führung eher schleppend verlief: Ein eklatanter Mangel an bewegten Bildern aus Bordeaux schrie geradezu nach einer noch weit höheren Improvisationskunst. Aufgabe gelöst; auch wenn die harten Fußballfans an diesem Abend im Garten der Eisenschmelz weniger Freude gehabt hätten. Mit Improvisationen zur Untermalung des vielbeachteten Kicks hatte Wandermusikant Roland Vanecek am Samstag dafür sorgen wollen, dass auch fußballbegeisterte Musikfreunde nicht heimzugehen brauchen, sondern mit beiden Augen das EM-Geschehen verfolgen, akustischen Genuss jedoch von einer veritablen Band geliefert kriegen (wir berichteten). So weit, so gut – so trefflich ausbaldowert. Nur: So grandios die musikalischen Fähigkeiten des Tuba-Virtuosen auch sein mögen: Tücken der Technik hat der um Ideen nie verlegene Musikus offenbar ausgeblendet. Das Funknetz über der Hochsteiner Hütte ist nicht das dichteste – Problem eins. Problem zwei gesellte sich hinzu, als der Beamer nicht mit Vaneceks mobilem Rechner – ein Stück der Nobelmarke mit einem Obst-Emblem – zu korrespondieren gedachte. Angebissenes Obst reagiert bei Peripheriegeräten manchmal zurückhaltend: „Sollte sich ein Mac-Experte im Publikum befinden, möge er herbeieilen – oder für immer schweigen“, schrie Vanecek beim nervösen Werkeln an der Technik, sehr zur Belustigung des neugierig zuschauenden Publikums. Knapp anderthalb Stunden vor dem ersten Tor-Schrei brandete verhaltener Jubel an der Eisenschmelz auf: Endlich warf der Beamer ein Bild an die Wand. Schon aber folgte Problem Nummer drei: Die Download-Rate und auch Kapazität des gebuchten Daten-Päckchen war, wie sich schon abzeichnete, eher dünn. Wie gut, dass umgehend einer in die Bresche zu springen bereit war. „Bin ich jetzt ein Fußball-Sponsor?“, freute sich Gustav Reck, Teil des Duos „Gustav und Gerlinde“. An der Seite seiner Partnerin hatte er seinen musik-komödiantischen „Mini-Woodstock“-Auftritt bereits hinter sich gebracht. Immerhin: Das Geschehen in Bordeaux flimmerte nun über die Fassade. Es lässt sich ja nun nicht schöner reden als es ist: Inzwischen hatten doch viele Konzertbesucher den Heimweg angetreten. Keinesfalls schlimm: Dass jene ihr Fußballfieber lieber auf der Couch kurierten, nahm ihnen nun niemand krumm. Zumal ja dem Mini-Festival bis zum Anstoß großer Erfolg beschieden war. „Wahnsinn. Es werden ja immer mehr. Gut 300, mehr geht ja kaum“, zog „die Schmiedin“ Sandra Geruschkat höchst positives Resümee. Ihr Tag der offenen Tür hatte vor Jahresfrist den Anstoß für Vanecek geliefert, das Ereignis mit einem musikalischen Erlebnis zu verbinden. Die sechste Auflage der Einblicke in Geruschkats Eisenschmelz-Schmiede hat die Kunsthandwerkerin hoch zufrieden gestellt. Und die Besucher wohl auch. Viele hatten sich einfach niedergelassen, Sitzgelegenheiten besorgt oder vorhandene Mauer- und Wiesenplätzchen genutzt, um den musikalischen Darbietungen zu lauschen. Die erwiesen sich als breitgefächert; bereichert gegen Schluss von der Brasilianerin Kareen Volkmann, die ein halbes Jahr durch Europa tourt, auf Einladung Vaneceks Station gemacht hatte. Auch der weitest gereiste musikalische Gast mischte mit, als es dann an die Begleitung des Fußball-Geschehens ging. Der Ball rollte nicht zügig, das Bild – ohnehin nur gut 1,20 Meter breit – ruckelte und erblindete immer wieder. So war die Herausforderung, die Partie wie einen Stummfilm dramaturgisch passend mit Rhythmen, Tönen, Melodien anzureichern, immens angewachsen. Die Musiker aber meisterten die Sache geradezu exzellent. Und begleiteten tapfer, was sie selbst kaum sehen konnten. Ab und an brachen sie selbst in Gelächter aus. Klasse, wie Sängerin Nora Tauber mit Blick auf den „Live-Ticker“ auf eigenem Smartphone die Fußball-Kommentatorin mimte, während Marcel Kamst und Jan Rachota Finger über Tasten wirbeln ließen, Christoph Jung Besen überm Schlagzeug schwang, Bassist Zebo stampfend für Druck sorgte, das sich auf das eher leblose Geschehen auf dem grünen Rasen allerdings nicht auswirkte. „Für mich sieht das nicht nach großem Fußball aus“, witzelte die Sängerin. Stimmt. „This is the End“, ließ die Band Jim Morrison und seine Doors noch einmal aufblitzen, Stevie Wonders „Master Blaster“ anklingen. Opener und Schluss: Selbstredend kann Vanecek mit der Tuba auch die Nationalhymne intonieren.

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