Donnersbergkreis Der Falkner vom Buchwaldhof

Der 76-jährige Kurt Kilian widmet sich auf dem Buchwaldhof der Falkenzucht.
Der 76-jährige Kurt Kilian widmet sich auf dem Buchwaldhof der Falkenzucht.
Die Kunst, mit Vögeln zu jagen

Seit über 60 Jahren ist Kurt Kilian der Falknerei, auch Beizjagd genannt, verfallen. Die Beizjagd ist das Jagen mit abgetragenen (abgerichteten) Greifvögeln auf freilebendes Wild im Rahmen des Jagdrechts. In Anlehnung an das berühmte, um 1245 von dem Staufferkaiser Friedrich II. verfasste Werk „De arte venandi cum avibus“, bezeichnet Kilian die Beizjagd als „die Kunst, mit Vögeln zu jagen“. Dabei komme es auf das vertrauensvolle Zusammenwirken von Falkner, Greif und Hund an. Das sei nicht zu verwechseln mit den kommerziellen Greifvogel-Flugschauen auf verschiedenen Burgen und „Falkenhöfen“ vor großem Publikum. Der dabei oft gezeigte Uhu sei – ebenso wie alle anderen Nachtgreife – ohnehin kein Beizvogel. In diesem Zusammenhang bedauert Kilian, dass es heutzutage in Deutschland trotz einer speziellen Prüfung viel zu einfach sei, einen Falknerschein zu erwerben. Verwunderte Experten Zunächst sei er, so Kilian, dieser Leidenschaft in seiner Heimatstadt Mannheim nachgegangen. In dieser Zeit stand der Wanderfalke in Deutschland kurz vor dem Aussterben. Trotzdem habe es damals in der Rhein-Neckar-Metropole mehr freilebende Wanderfalken gegeben als in der ganzen Pfalz zusammen. Selbst Experten hätten sich darüber gewundert. Kilian kann sich hier ein Grinsen nicht verkneifen – hatte da womöglich einer etwas nachgeholfen? Der Falkner lässt sich jedoch nicht aus der Reserve locken, räumt aber ein, in jenen Jahren etwa 600 Beutetiere – Feldhasen, Karnickel, Rebhühner, Fasanen, Rabenkrähen sowie Stadt- und Wildtauben – mit seinen Beizvögeln erbeutet zu haben. Gerade in der Stadt, aber auch auf Flughäfen, wo der Gebrauch von Schusswaffen nicht möglich ist, ergebe es Sinn, mit Greifvögeln den dort in Massen anzutreffenden Tauben, Krähen und Wildkaninchen beizukommen. Von Mesopotamien nach Europa Die Falknerei wurde vor rund 4000 Jahren in Mesopotamien entwickelt und gelangte während der Völkerwanderung zwischen 300 und 500 n. Chr. nach Europa. Im Mittelalter und in der Zeit des Absolutismus war sie eine Prestigeangelegenheit für die Fürsten. Durch die Einführung der Jagd mit der Flinte, also dem Schrotgewehr, ging sie im 19. Jahrhundert erheblich zurück. In Deutschland wurde die Beizjagd mit der Gründung des Deutschen Falkenordens im Jahr 1923 wiederbelebt. Auf der Basis noch vorhandener Restbestände begann man hier in den 1930er Jahren, dem Wanderfalken durch Zucht und Auswilderung den Fortbestand zu sichern. Renz Waller gelang es in den Jahren 1942/43 als erstem, einen Wanderfalken in Gefangenschaft zu züchten. Wallers 1937 veröffentlichtes Lehrbuch gilt heute als Standardwerk der Falknerei in Deutschland, ohne jedoch die zeitlose Bedeutung des Werks Friedrichs II. zu schmälern. Falkenartige und Habichtartige 1996 erwarb Kilian den Buchwaldhof bei Rockenhausen. Acht Jahre später siedelte er dann in die Pfalz über, um sich hier ganz der Falkenzucht zu widmen. Neben Falkenartigen wie Wander-, Ger- und Sakerfalke schlüpfen unter Kilians Obhut auch Küken von Habichtartigen aus den Eiern. Diesen werden neben Habicht, Sperber und den Bussarden auch die Adler zugeordnet. Der Habicht ist im Übrigen der letzte heimische Greifvogel, der noch dem Jagdrecht unterliegt, und er ist auch der einzige, dessen Nest- und Ästlinge in Ausnahmefällen zu Beizzwecken ausgehorstet werden dürfen. In arabische Länder verkauft Kilian macht keinen Hehl daraus, dass der größte Teil der von ihm gezüchteten Greife in arabische Länder verkauft wird. Er ist überzeugt davon, dadurch einen Beitrag zum Schutz der wildlebenden Greife vor illegalen Aushorstungen zu leisten. Aus Kilians Volieren stammen aber auch drei Wanderfalken, die 2003 in Hagen ausgewildert wurden. Als engagierter Naturschützer kennt er selbstverständlich die Nistplätze der gegenwärtig im Donnersbergkreis lebenden vier Brutpaare dieser seltenen Greifvogelart. Aus gutem Grund behält er die Standorte aber für sich. Auf die Frage nach der Anzahl der im Donnersbergkreis nistenden und von Tauben- und Geflügelzüchtern gefürchteten Habichte antwortet Kilian allerdings lapidar mit: „Nicht allzu viele!“ Von den heimischen Greifvögeln dürfen außer dem Wanderfalken nur noch der Steinadler und der Habicht in Deutschland zur Beizjagd eingesetzt werden. Die Wahl des Beizvogels Nach Kilian sind für die Wahl eines Beizvogels die Gegebenheiten des Reviers ausschlaggebend, in dem man mit ihm jagen wolle. Der Habicht, den Kilian als gemeinen Jäger für das Gebüsch bezeichnet, sei ein Überraschungsjäger, der aus der Deckung heraus Federwild und Haarwild bis zur Größe eines Feldhasen schlägt. Der Wanderfalke hingegen, der edle Jäger des deckungsfreien Luftraums, stoße aus großer Höhe mit hoher Geschwindigkeit auf seine Beute, fast ausschließlich Federwild, herab. Der Steinadler werde in der Mongolei vorwiegend zur Wolfsjagd eingesetzt, man könne mit ihm aber auch Füchse und Rehe bejagen. Daneben sind mehrere nichtheimische Greife wie Gerfalke, Sakerfalke und der Harris Hawk, letzterer auch Wüstenbussard genannt, als Beizvögel begehrt. Bei ihnen sind in Deutschland im Gegensatz zu den heimischen Arten Hybridzüchtungen (Kreuzungen) erlaubt. Auch Tochter wird Falknerin Im Laufe seines Falknerlebens hat der heute 76-jährige Kurt Kilian eine Reihe von Ehrenämtern und Funktionen in Jagd- und Falkenorganisationen wahrgenommen, so auch viele Jahre den Vorsitz im Orden Deutscher Falkoniere sowie in dessen heute nicht mehr existierenden länderübergreifenden Verband Baden-Pfalz-Saar. Wegen seiner Sachkenntnis wurde er als beratendes Mitglied in den Prüfungsausschuss für die Falknerprüfung berufen. Gegenwärtig ist er noch Mitglied in einem polnischen und einem österreichischen Falkenclub, Obmann für Natur und Umwelt in der Kreisgruppe Donnersberg des Landesjagdverbandes und Naturschutzwart der Stadt Mannheim. Seine Tochter Elena, die mit 16 Jahren den Jagdschein machte, bildet Kilian derzeit zur Falknerin aus. Sie soll „im Fall des Falles“ das Lebenswerk des Vaters mit derzeit 60 brütenden Greifen fortführen.

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