Bad Dürkheim „Warten und trinken, trinken und warten“

„Jacques Brel lebt. Es lebe Philippe Huguet“ – das könnten einige gedacht haben, die am Sonntagabend die ehemalige Synagoge in Weisenheim am Berg auf den Spuren des 1978 verstorbenen Chansonniers Jacques Brel besuchten. Die Veranstaltung war ausverkauft, 30 Interessierte musste der Förderkreis nach eigenen Angaben abweisen.

„Heute Abend warte ich auf Madeleine“ – das café théâtre mit Chansons von Jacques Brel ist eine Hommage des französischen Opernsängers und Schauspielers Philippe Huguet und des elsässischen Akkordeonisten Laurent Leroi an den bekannten Chanson-Sänger. Einfach überwältigend ist die schauspielerische und sängerische Leistung des Baritons, der – sobald er auf der Bühne steht – eins mit Jacques Brel zu werden scheint und dessen Stimmungen mit Mimik, Gestik und Intonation von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt in allen Nuancen durchlebt. Leroi zeigt sich als einfühlsamer, virtuoser Musiker, der auf dem Knopfakkordeon alle Stimmungslagen von Wohlfühlatmosphäre bis Dissonanzen kreieren kann. Seit drei Jahren sind die beiden nun ein eingespieltes Team, das sicher auch mit Huguets charmantem Akzent und Lerois französischem Vorzeigeinstrument beim Publikum punkten kann, weil das für Pariser Flair sorgt. Ein Stuhl, ein Tisch, ein altes Telefon, eine Schreibmaschine und eine Flasche Wein genügen, um in die Brelsche Welt einzutauchen. Wir lernen einen Mann kennen, der durch das enttäuschte Warten auf seine für den Zuschauer nicht sichtbare Ehefrau Madeleine, die ihn betrügt, zermürbt zum Trinker und fast in den Wahnsinn getrieben wird. Und wir leiden mit dem Protagonisten mit, wenn nicht von Anfang an, dann spätestens nach der ersten halben Stunde der mit einer halbstündigen Pause über zweistündigen Aufführung. Der Mann ist aber weder Brel noch Huguet, sondern eine Kunstfigur, um Brels Lieder zu präsentieren. Huguet hat 14 „Perlen“, wie er Brels Lieder nennt, ausgewählt, die sicher jedem Fan ein Begriff sind: von „Buxelles“ bis „Madeleine“. Ab und an „klingelt das Telefon“ und Madeleine teilt ihrem Mann mit, dass sie erst später heimkommen werde. Während er die Flasche Wein langsam leert und immer wieder ein paar Sätze auf der Schreibmaschine tippt, hadert Huguet mit seinem Schicksal in deutscher Sprache. „Wo warst du?“, will er von Madeleine wissen, als sie zurückgekehrt ist. Weil sie keine Antwort gibt, sagt er: „Warten und trinken, um das Warten erträglich zu machen. Trinken und warten.“ Die erst sanft einsetzende Akkordeonmusik wird lauter und klagender wie Huguet, als er in französischer Sprache „L´ivrogne“ („Der Trinker“) anstimmt. Huguet kopiert dabei sogar Brels verwaschene Sprache. Nach der Pause ist Warten zum „Hochleistungssport“ geworden. „Adieu meine Frau“, singt Huguet. Er beklagt sich, dass sie nun die über eine Woche alte Zeitung lese, die sie sonst nicht interessiere, nur um ihn mit Nichtachtung zu strafen. Er beschreibt sich als schüchtern. „Die Schüchternen sterben mit einem Koffer auf dem Herzen“, sagt Huguet und singt „Les Timides“ („Die Furchtsamen“), um sie kurz darauf wissen zu lassen: „On n´oublie rien“ („Man vergisst nichts“). Tief traurig fährt Huguet mit „Je ne sais pas pourquoi“ („Ich weiß nicht warum“) fort. Auch das Akkordeon scheint zu schluchzen, um dann gemeinsam mit Huguet zu flehen: „Ne me quitte pas“ („Verlass mich nicht“) als, sie mit gepackten Koffern dasteht. In „Madeleine“ gelobt er Besserung und hofft auf ein Wiedersehen mit geradezu ansteckender Fröhlichkeit. (feli)

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