Bad Dürkheim Inszenierte Lyrik

Am Samstagabend und Sonntagvormittag gab es an der Stadtmauer in Freinsheim eine szenische Lesung mit Gedichten aus der Zeit des Barocks. Die Schauspieler Kerstin Bachtler, Bodo Redner und Hedda Brockmeyer vom Theater in der Kurve in Neustadt-Hambach haben die Form des Lyretts entwickelt und mit ihrer Zusammenstellung unter dem Titel „Wohl dem, der sich vergnüget“ die Zuschauer gut unterhalten.

„Dies ist unser zweites Lyrett“, erklärt Redner. Das erste hieß „Madame, ich liebe Sie“ und bestand aus Gedichten von Heinrich Heine und Mascha Kaléko. Das Lyrett ist eine Zwischenform von Lesung und Schauspiel. Dass es eine Lesung ist, soll nicht ganz vergessen werden, daher haben die Schauspieler die Texte in den Händen. Die Kostümierung verdeutlicht, dass es ein Schauspiel ist. Man trägt zwar keine aufwendigen Barockkostüme, aber Abendkleid und Frack. Die Gedichte werden nicht nur vorgelesen, sondern gespielt, daher ist auch die Regie von Brockmeyer wichtig. Sie schafft ein unterhaltsames Stück, bringt mit minimalem Aufwand Abwechslung und Dramatik in die Lesung. Bachtler und Redner sprechen abwechselnd, manchmal gemeinsam, sind immer miteinander im Gespräch. Die Gedichte werden dramatisiert. Die Bühne bildet eine Wiese an der äußeren Stadtmauer. Die freie Natur ist perfekt für das Thema, bei dem es nicht nur um die Liebe, sondern um alle Sinne geht, ebenso um Sonnenschein und Düfte, um grünes Laub und Blumen. Die Lautenmusik von Andrea Baur stimmt ein auf die Sprache der Barockzeit. Sie führt ein, begleitet die Übergänge, kommentiert und ergänzt die Gedichte, bildet eigene Musikinseln im Geschehen. Die meisten Stücke stammen aus dem 17. Jahrhundert, einige von Nicolas Vallet, andere von unbekannten Komponisten oder es sind Improvisationen der Musikerin. „Willst Du dein Herz mir schenken, so fang es heimlich an“, ein Werk eines unbekannten Dichters, vertont von Johann Sebastian Bach, ist vermutlich der einzige Text, der etlichen Zuhörern geläufig ist. Die meisten anderen Gedichte stammen ebenfalls von unbekannten Autoren, einige bekannte von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Martin Opitz und Andreas Gryphius sind auch dabei. Die Liebe und die Natur dominieren als Themen den ersten Teil des Lyretts, Spottgedichte den zweiten – das Bedürfnis nach „Woll- und Weinlust“ ist stets vorhanden. Das 17. Jahrhundert war allerdings nicht durch Vergnügen gekennzeichnet. Mitteleuropa wurde durch den Dreißigjährigen Krieg, Seuchen und Hungersnöte verwüstet. Das Vergnügen war rar, der Tod immer nah. Dies spiegelt sich auch in den Gedichten: Der nahe Tod, die Vergänglichkeit verlangen baldigen Genuss, schaffen ungeduldige Liebhaber. Hier haben Bachtler und Redner reichlich Gelegenheit, schmachtende oder verstrittene Liebespaare zu spielen, im zweiten Teil auch Zorn, Verachtung und Spott zu versprühen und fiese Charaktere wie Geizkragen und alte Böcke darzustellen. Die Themen der Gedichte aus dem 20. Jahrhundert, alle von Rose Ausländer, sind ähnlich: Natur und Liebe im Angesicht des Sterbens und der Vernichtung während des Zweiten Weltkrieges. Sie sind zu erkennen durch ihre freie Form, die Barockgedichte dagegen sind immer gereimt, in ihrer Form gebunden. Eine interessante Auswahl und lebendige, abwechslungsreiche Darstellung bescheren dem Publikum eine besinnliche und vergnügliche Vorstellung. Das Ergebnis: lang anhaltender Applaus.

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