Bad Dürkheim „Harmonie ist hier Programm“

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Intern erzählt man sich beim Fußballverein Freinsheim von einer Tendenz. Nämlich von jener, den Verein nicht mehr verlassen zu können, wenn man ihm einmal verfallen sei. Das mag den gängigen Prozessen auch im Amateurfußball widersprechen, denn auch hier wechseln Spieler am ehesten dorthin, wo es ein paar Euro zu verdienen gibt. Beim FV soll es indessen schon vorgekommen sein, dass ein älteres Vereinsmitglied einem neu hinzugekommenen Akteur augenzwinkernd geraten hat: „Hey, pass auf, dass Du hier nicht hängen bleibst.“ Einer der hängen geblieben ist, ist der Vorsitzende Thomas Schmidt. Er ist dem Verein seit vielen Jahren treu. Unter seiner Führung befindet sich der FV Freinsheim derzeit auch sportlich auf einem Höhenflug. Dazu später mehr. „Harmonie“ – so steht es auf dem Schild geschrieben, das die Vereinswirtschaft des FV Freinsheim seit vielen Jahren ziert. Und tatsächlich präsentiert sich der Club im Jahr 2015 wie ein gut geführtes mittelständisches Unternehmen. Nicht erst seit dem insgesamt 630.000 Euro teuren Kunstrasenbau im Jahr 2011 hat die Führungsriege mit Finanzfachmann Harald Tschischka stetig daran gearbeitet, das in die Jahre gekommene Haus zu ertüchtigen. Das jüngste Projekt war die eingeleitete Erneuerung der 45 Jahre alten Umkleidekabinen. 30.000 Euro sind bisher in den Umbau geflossen, der im kommenden Jahr mit einer weiteren Phase fortgesetzt werden soll. Den selben Betrag musste man im Jahr 2013 ins Dach des Gebäudes stecken. Wie all das für den 630 Mitglieder starken Verein zu schultern ist, mag sich mancher fragen. Alleine aus den Mitgliedsbeiträgen geht das schließlich nicht. Schmidt und Tschischka erklären es mit der auf den Verein zugeschnittenen Struktur. 65 kleine Werbepartner, anstelle von einem Großsponsor lassen ein größeres Maß an Unabhängigkeit zu. Die Dr.-Kausch-Stiftung hat sich in der Vergangenheit ebenfalls schon erkenntlich den Freinsheimer Fußballern gegenüber gezeigt. Und wenn es um konkrete Maßnahmen gehe, seien einzelne Personen immer wieder bereit, den Club zu unterstützen, so Schmidt. Das Beispiel SV 1911 Bad Dürkheim habe gezeigt, wie es ist, wenn ein oder zwei größere Geldgeber plötzlich abspringen. Dass der FV Freinsheim nun – nicht nur in der Person des seit Beginn des Jahres in Freinsheim arbeitenden Trainers Andreas Schröck – indirekt davon profitiert, ist kein Geheimnis. „Andreas Schröck war strategisch wichtig“, sagt der Vorsitzende Thomas Schmidt über den neuen Trainer, der es innerhalb dieses Kalenderjahres geschafft hat, das FV-Team an die Spitze der A-Klasse zu führen. Es gehört jedoch zum Selbstverständnis des Clubs, sich nicht allein über den Erfolg der 1. Mannschaft zu definieren. Schmidt spricht von den vier Säulen, auf denen der Verein steht: Jugend, Damen, Aktive und Alte Herren. Diese klassische Struktur wird ergänzt durch eine fünfte Säule, die in Freinsheim ausgeprägter als bei vielen anderen Clubs funktioniert – nämlich ehrenamtliches Engagement. Fast ins Schwärmen gerät Schmidt, wenn er davon erzählt, dass selbst aktuelle Akteure aus der 1. Mannschaft schon wenige Wochen nach ihrem FV-Beitritt mit der Hilti-Bohrmaschine bei der Sanierung der Umkleidekabinen geholfen hätten. Eine Rentner-Gang mit zehn Leuten kümmere sich um die Außenanlagen des Vereins. Nicht zu vergessen ist die 3. Vorsitzende Gabi Bähr, die sich mit ihrem Mann darum bemüht, den gastronomischen Betrieb im Clubhaus aufrechtzuerhalten. Wie sich im Gespräch mit den Verantwortlichen zeigt, liegt hier sogar eines der geheimen Erfolgsrezepte des Vereins. Fußballspieler bekommen beim FV Freinsheim kein Geld. Umso wichtiger ist daher die Währung, die der Verein stattdessen eingeführt hat. Statt Einsatz- oder Punktprämie regiert hier der sogenannte blaue Bon, der sozusagen ein Wertgutschein für das eigene Clubhaus ist und bei entsprechenden Leistungen zur Auszahlung kommt. Ein System, das nach Darstellung von Harald Tschischka und Thomas Schmidt sehr gut funktioniere. Was beim FV Freinsheim ebenfalls gut funktioniert, das ist die Kooperation mit der Jugendabteilung des SV Weisenheim am Sand, die in diesem Jahr erneut erweitert worden ist. Gleich neun Mannschaften gehen in der Spielgemeinschaft auf Torejagd. Herausragend dabei: Die C-Junioren haben den Aufstieg in die Landesliga geschafft, wo sie sich vergangene Woche mit RW Seebach duellierten. Bei den Mädchen existiert heuer eine U12- und eine U16-Mannschaft, die Frauenmannschaft spielt erstmals in der Verbandsliga, die Alten Herren haben den Ü32-Pokal geholt und die 1. Mannschaft ist Tabellenführer. „Wenn der Aufstieg kommt, dann kommt er halt“, sagt Schmidt fast lakonisch. Mit Fug und Recht darf das Jahr 2015 als eines der erfolgreicheren in die Vereinsgeschichte eingehen, eine Geschichte die laut Vereinschronik am 8. Oktober 1924 in der damaligen Gaststätte „Zur Sonne“ begann. Rund 50 Mitglieder sollen sich dem Verein direkt nach der Gründung angeschlossen haben. Damals wie heute gab es eine Zusammenarbeit mit Weisenheim am Sand, denn ein eigener Fußballplatz stand nach Darstellung der Chronisten zweitweise nicht zur Verfügung. Die Neugründung nach dem Zweiten Weltkrieg fand fast auf den Tag genau vor 65 Jahren statt. Am Abend des 1. Dezember 1950 trafen sich – wie die Chronik sagt – 242 Anhänger des Vereins und gründeten im „Kinosaal Harm“ den Verein neu. 20 Jahre später wurde der heutige Fußballplatz am heutigen Ort eingeweiht und wiederum vier Jahre später war das Clubhaus errichtet, das bis heute seinen Namen behalten hat – Harmonie. „Harmonie ist hier Programm“, sagen Gabi Bähr und Thomas Schmidt unisono, als sie sich vom Boden der neuen Umkleidekabinen erheben. Was es noch besser zu machen gäbe, ist die Frage, die sich stellt? „Vieles ist richtig gut“, sagt Schmidt. Er ist dem Verein lange verfallen.

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