Bad Dürkheim Das Leben eines Schmetterlings

So viel Moderne war kaum je bei der Wachenheimer Serenade: Gleich zwei zeitgenössische, durchaus der Avantgarde zuzurechnende Kompositionen standen auf dem Programm beim Gastspiel des Trios Charolca in der Ludwigskapelle Wachenheim am Wochenende. Reichlich schwere Kost für manchen Konzertbesucher, und dennoch war es unbedingt ein lohnender Abend.

Die Flötistin Anne-Cathérine Heinzmann, der Bratschist Roland Glassl und die Harfenistin Charlotte Balzereit standen für allerhöchste musikalische Qualität, nicht zuletzt erfahrbar an der Wiedergabe dieser überaus schwierigen modernen Kompositionen. Außerdem gab es für konventionell gestimmte Ohren leichter fassliche Werke zu hören. Größtmögliche Virtuosität, ein bis in die kleinsten Nuancen verfeinerter Klangsinn, großer Farbreichtum, dazu absolute Perfektion im Zusammenspiel – da spürte man, dass da drei Weltklassemusiker zugange waren. Roland Glassl braucht in Wachenheim nicht vorgestellt zu werden, ist er als Bratschist des in Neustadt ansässigen Mandelring-Quartetts doch bestens bekannt. Anne-Cathérine Heinzmann spielt als Soloflötistin im Opern- und Museumsorchester Frankfurt/Main und lehrt seit 2009 als jüngste Flötenprofessorin Deutschlands in Nürnberg. Charlotte Balzereit gewann schon in jungen Jahren eine Menge Wettbewerbe und ist seit 2001 Soloharfenistin der Wiener Philharmoniker. Wer sich zu einem Trio in dieser exquisiten Besetzung zusammenschließt, hat ein ganz bestimmtes Werk vor Augen: Die 1916 entstandene Sonate F-Dur von Claude Debussy. Eine seiner letzten Kompositionen, ein Spätwerk, in dem er den farbenprächtigen, üppigen Klangzauber seiner früheren impressionistischen Stücke zurückfährt zugunsten einer eher zeichnerischen, fast punktuell gesetzten, aber wunderbar zarten, frei schweifenden, sensibel nuancierten Musik. Man mag sie sich als Untermalung zu einem jener alten, poesievollen Zeichentrickfilme vorstellen, in denen etwa das Leben eines Schmetterlings dargestellt ist, mit bunten Blumen, Bäumen, anderen Kleintieren. Das Trio Charolca spielte mit einem Höchstmaß an Eleganz und Duftigkeit, bescherte einen ungeheuren Reichtum an Farben und Abstufungen. Originalwerke für die Kombination Flöte, Bratsche, Harfe gibt es bis zu Debussy so gut wie keine, und wer immer auch später für diese Besetzung schreibt, tut dies im Hinblick auf oder in Erinnerung an die Sonate des Franzosen. So auch die 1931 geborene, in Hamburg lebende Russin Sofia Gubaidulina und der ein Jahr ältere, 1996 verstorbene Japaner Toru Takemitsu, zwei Großmeister der zeitgenössischen Musik, beide mit konzessionslos sich avantgardistischer Harmonien und Klangmöglichkeiten bedienenden, aber präzise ausgehorchten Kompositionen. Gubaidulinas „Garten von Freuden und Traurigkeiten“ wird bestimmt von akzentuierten, zuweilen mit Flatterzunge gespielten Tönen der Flöte, sirrenden Flageolett-Klängen der Bratsche und auf der Harfe hart angerissenen Tönen sowie Glissandi, nicht wie für das Instrument normal über die ganze Bespannung hinweg, sondern auf der einzelnen Saite. Starke Kontrastbildungen, auch immer wieder mit konventionell erzeugten Tönen, erschaffen einen vielfältigen, spannenden Klangkosmos. Auch Takemitsu bedient sich bei „And then I knew it was the Wind“ moderner Spieltechniken, um spezifisch japanisch klingende, fremdartige Farben zu erzeugen. Das Stück wirkt in der Struktur und Klanglichkeit wie weitergedachter Debussy, schafft in der Verbindung von westlichen und asiatischen Elementen eine rituell anmutende Atmosphäre. Das Trio Charolca sorgte für Wiedergaben von höchster Kompetenz. Charlotte Balzereit glänzte hier mit atemberaubenden, völlig neuartigen Klängen auf der Harfe. Zu Beginn gab es ein barockes Kabinettstückchen für Flöte und Bratsche mit den „Les Folies d’Èspagne“ Variationen von Marin Marais. Danach spielte Roland Glassl sehr geschmeidig ein Capriccio des belgischen Romantikers Henri Vieuxtemps und Anne Cathérine Heinzmann mit warmem, vollem Ton Debussys berühmtes Flöten-Solostück „Syrinx“. (een)

x